Ich habe fast eine wenig schlecht geschlafen heute, so sehr habe ich mich geärgert. Die kleine Feministin in mir ist wie Rumpelstilzchen im Kreis gehüpft und hat mit den Fingerknöcheln geknackt … sind Mamabloggerinnen nur Lifestyle-Muttis? Was soll so eine Behauptung und wenn es wahr ist, warum kenne ich so wenige?
Der Grund dafür? Ein Artikel über Mamabloggerinen im Online Standard. Nicht, dass ich so häufig Standard lesen würde. Aber wie das so ist auf Facebook, hat sich mir der Artikel in meiner Timeline plötzlich aufgedrängt. Und dann wollte ich natürlich wissen „Warum der Mama-Kind-Lifestyle boomt„.
Oh, wie schön, ich wusste nicht, dass Kinder kriegen ein Lifestyle ist und ehrlicherweise habe ich bereits beim ersten Absatz schlucken müssen. „Mütter bloggen, werden Designerinnen oder eröffnen Shops. Das Wichtigste dabei ist aber, dass man sexy ausschaut“. Wer mir auf Facebook folgt, weiß, ich hab mich schon recht heftig darüber ausgelassen und ich kann es einfach nicht fassen, warum man Mutter, Bloggerin oder einfach nur Frau überhaupt über so einen Kamm scheren lassen sollte.
Ich will keinen Inhalt zitieren, wer möchte und wem es den Klick wert ist, kann sich selbst durchklicken und lesen. Warum ich überhaupt reagiert habe? Ich konnte nicht anders. Und es nur meinen Freunden im Chat hinzuknallen hat mir nicht gereicht.
- Der Standard gilt als Qualitätsmedium. In den Köpfen eher die Print-Ausgabe, aber auch den Beiträgen der Online-Ausgabe schenkt man klarerweise Glauben. Menschen sind einfach so, da können sie nicht raus. Also: WIE ZUM TEUFEL kann eine Chefredaktion so einen schlecht recherchierten voller unzeitgemäßer Stereotype strotzenden Artikel durchlassen? Hat das irgendjemand vorher gelesen? Stereotype über Mütter, die Bloggerinnen werden und sich dann nur noch mit lackierten Nägeln hübsch lächelnd inszenieren sind schlichtweg Blödsinn. Genauso wie die Annahme, Modebloggerinnen wären im Schnitt gut geschminkte, blonde Dummchen. Wer so etwas behauptet, hat keine Ahnung. UND HALLO?! Wir sind gerade dabei uns zu emanzipieren. Die Gesellschaft will uns zu milchgebenden und eierlegenden Wollmilchsäuen machen und dann werden wir erst recht in eine Schublade gesteckt?
- Die meisten erfolgreichen Bloggerinnen sind knallharte Business-Frauen. Selbständige, die alle Fäden in der Hand haben müssen. Sie machen ihre Steuer genauso selbst wie den Redaktionsplan und Budget-Verhandlungen. Das gleiche gilt übrigens für Mütter, die Modedesignerinnen werden oder Geschäfte eröffnen.
- Diese Mütter machen sich oft aus zwei Gründen selbstständig – und keiner davon ist der Hang zur Selbstinszenierung. Sie suchen nach Verdienstmöglichkeiten und einem Job, der sich mit den Kindern vereinbaren lässt und sie stellen fest, dass sie eine neue Passion gefunden haben, die man durchaus zum Beruf machen kann.
- Bloggen kann sich auszahlen, ist aber am Ende des Tages ein Job wie jeder andere. Manche arbeiten für ihren Erfolg um ein Vielfaches mehr und härter als sie es in ihrem früheren Bürojob getan hätten. Weil sie es lieben, weil sie erfolgreich sind und das genießen, weil sie tun, was sie tun wollen. So, jetzt sagt mir mal, was verwerflich daran ist?
- Gesteigerte Selbstinszenierung ist ein Phänomen unseres Jahrhunderts und Blogger haben es nicht neu erfunden. Die Menschen haben es auch früher getan, aber seit es Social Media gibt, tun wir es alle. Online-Selbstinszenierung ist ein Untersuchungsfeld, zu dem es schon unzählige Studien gibt, das ist nun aber wirklich nichts Neues. Und warum dürfen es nicht auch Mütter machen? Im übrigen trifft das ja nicht einmal auf alle Mamabloggerinnen zu. Viele Mamablogs haben mit Mode und Lifestyle nur wenig am Hut und widmen sich Mutterschafts- und Familienthemen statt Mode und Upper Class Baby-Parties.
- Gerade diese Blogs erfüllen ein Bedürfnis unserer Gesellschaft. Eltern haben es heute schwerer als früher, glaube ich. Es gibt eine Fülle an Informationen und Angeboten. Ersteltern haben kaum die Chance alles zu sortieren und für sich umzudenken. Man ist überfordert und zwar nicht mit dem Kind sondern mit dem Umgang mit dem Kind. Ratgeber hier, Ratgeber da und dann sind da immer noch teils die alten Systeme, wenn die Oma dies rät und die Urstrumpftante etwas anderes. Eltern suchen nach Rat und oft sind es Blogs, die diese Informationen recherchieren, sortieren und noch einmal aufbereiten, weil es sie selbst interessiert und betrifft.
- Das heißt natürlich trotzdem wiederum: man darf nicht alles glauben, was man liest. Das gilt hier genauso wie für den Artikel über den Mütter-Lifestyle-Boom.
- So wahnsinnig viele Bloggerinnen sind überhaupt nicht daran interessiert, sich als sexy Mama zu inszenieren. Sie tun das, weil es ihnen Spaß macht, es ist ihr Hobby, sie wollen kein Geld damit verdienen und schon gar nicht anderen diktieren, wie sie es tun sollen. Es befreit über die eigenen Gefühle und Stimmungen zu schreiben. Um andere teilhaben zu lassen und ins Gespräch zu kommen, macht man das eben online. Auch das ist ein Phänomen unserer Zeit. Tja, so ist das eben …
- Ich halte solche und generell alle Stereotype für völlig unangebracht, unzeitgemäß und beleidigend. Das Problem daran ist nämlich (ja, dazu gibt es unzählige Untersuchungen): zeig sie den Menschen und sie glauben sie. Weil es einfacher ist. Ein Experiment: wie sieht der typische homosexuelle Mann in eurem Kopf aus? Hat er etwas von jenen in Sex & the City (gut gekleidet, gepflegt, oft in rosa, pink, weiß und auf jeden Fall chic und redegewandt) oder sieht er eher aus wie euer Nachbar, der genauso gut hetero sein könnte? Sind Lesben in eurem Kopf Kampfweiber oder eher wie eure Arbeitskollegin (die vielleicht auch zwei Kinder hat). Geht mal in euch. Das klingt jetzt ein wenig hart, aber ich will zeigen, wie sehr uns Medien beeinflussen und deshalb halte ich es für gefährlich, wenn bei eigentlich harmlosen Themen wie dem Bloggen mit Stereotypen ‚gespielt‘ wird … denn danke, die letzten politischen Wahlkämpfe hierzulande waren bereits stereotypbeladen genug.
- Ich komme hier vom hundertsten ins tausendste, deshalb ziehe ich hier einen Schlussstrich. Ich finde, eine JournalistIn sollte ein wenig reflektierter schreiben und offensichtlich falsche und meinem Empfinden nach sogar diskriminierende Aussagen vermeiden.
Bitte nehmt mir meine emotionale Ausdrucksweise heute nicht übel. Es war mir danach und ich wollte es nicht in mein privates, nicht vorhandenes Tagebuch schreiben. Aber weil ich mich so gerne selbst inszeniere … *IRONIE OFF*
Ihr kennt mich ja schon … 😉
Bitte hinterlasst mir gerne einen Kommentar, was ihr davon haltet und denkt! 😀
Bravo!
Gut gebrüllt, Stadtmama (aka. the most sexy Mother-Blogger alive)!
Die Kommentare auf den Artikel waren dann ja fast noch haarsträubender.
Fakt ist: Wir Mama-Bloggerinnen schreiben sehr, sehr wenig über Upper Class Baby-Partys (ich liebe diesen Ausdruck!), sondern sehr, sehr viel über die täglichen Herausforderungen des Lebens. Und wir werden gelesen. Immer mehr sogar.
Und sexy vor der Kamera räkelnd hab ich noch keine gesehen …
Bei Standard Online sind doch oft die Kommentare recht haarsträubend Danke für die Blumen, liebe Birgit! Vielleicht sollten wir beizeiten mal ein Sexy Mamablogger Gruppenbild machen
Manchmal braucht’s das einfach, dann muss es raus!
Und ich bin da vollkommen bei dir! In allen Punkten! Vllt. hatte die Journalistin auch einen schlechten Tag, zumeist sind die ja eh nicht gut auf Blogger zu sprechen.
LG, Tina
Hach, das kann sein. Mein Tipp wäre eher schlechte Recherche gewesen. Liest sich so. Leider entschuldigt das nicht die sehr unjournalistische Anwendung von Stereotypen.
Also ich bin sowas von keine Lifestylebloggerin *lach* so ein Scheiß geht da im Netz rum, aber das wird immer so sein… irgendwat wird immer gelabert.
Klar, du hast recht.Aber es hat so gut getan, dich mal so richtig schön über do. etwas aufzuregen …
Hallo,
ich denke, es gibt da einfach ein paar Missverständnisse: Es gibt Mama-Lifestyleblogs (neben den genannten z.B. sanviemini, Steffi Luxat), um die geht es im „Standard“-Artikel (und auch um Unternehmerinnen). Und dann gibt es erfrischende, „authentische“, gut recherchierte Eltern-Blogs wie Stadtmama oder Nestling mit Alltagstipps, Alltagsthemen (oder konkreten Themen wie Achtsamkeit bei Fräulein im Glück) – da gibts (meist) keine aufgeräumten Wohnungen mit Designer-Möbeln auf den Fotos, Mütter mit rotem Lippenstift (das scheint ein Must zu sein!) und den neuesten Designerklamotten, Designerküchen, und v.a. vielen Markennamen – ich les beides ab und zu gern, die Lifestyleblogs oft mit Kopfschütteln (und denk mir, wie anstrengend die Inszenierung ist, und ehrlich gesagt werde ich zunehmend grantig, wenn aus einem Post so offensichtlich eine Firmenkooperation dahintersteckt, wenn es nur noch um Marken und kaum um Inhalte geht – aber manchmal will frau halt auch nur schöne Bilder sehen, wenn zuhause Chaos herrscht ;-)). Es gibt halt unter den Eltern-Mütter-Bloggerinnen sehr viele verschiedene Ausformungen, und um eine davon ging’s da.
Ich finds aber lustig, dass du, Judith, dich von dem Artikel so angesprochen/angegriffen fühlst, denn dein Blog würde mir nicht als „Lifestyleblog“ einfallen (sorry;-)). Und dass Bloggerinnen immer öfter vom Hobby zur Ein-Personen-Unternehmerin werden bzw. Mütter während der Karenzzeit eine Geschäftsidee entwickeln, das wird mMn im Artikel nicht lächerlich gemacht.
Alles Liebe und mach weiter so mit den Berichten aus dem Alltag!
Lieben Michaela,
ich glaube, ich habe es in einem Kommentar weiter unten schone erwähnt: ich habe mich nicht direkt angesprochen gefühlt, weil ich mich definitiv nicht für eine Lifestyle-Bloggerin halte. Aber die Art des Artikels hat mich prinzipiell sehr wütend gemacht UND ich kann es nicht ausstehen, wenn fleissige Unternehmerinnen, wie auch immer sie ihr Unternehmen aufziehen, derart über einen stereotypen Kamm geschoren werden. Sie stecken viel harte Arbeit in die Gründung eines Labels, ihren Shop oder auch ihren Blog und dann schreibt eine Journalistin, die vermutlich nicht Mutter ist, potentiell keine Elternblogs liest und auch in keinem von einer Mutter gegründeten Unternehmen für Kindersachen (Mode oder was auch immer) eingekauft oder eine interviewt hat derart herabsetzend über diese Frauen. Ich konnte meine zehn Finger nicht an mich halten und musste mich äußern. Es hat auch nichts damit zu tun, was man von Kooperationen auf Blogs hält, aber als Frau kann man eigentlich nicht so über andere Frauen schreiben, oder? In einem Medium, das sehr viele Leser ernst nehmen, dem sie glauben und dessen Meinung sie übernehmen. Und da die Menschen häufig so einen Schrott glauben, ist es völlig egal, was ich in meinem Blog schreibe oder nicht. Für die bin ich dann eine von den Bloggerinnen, die halt sexy in die Kamera guckt, ein adrettes Baby im Arm. Oder meine Bekannte, die wundervolle Kindermode designt, ist die Mutti, die halt mal irgendwann für ihre Kinder zu nähen begonnen hat und meint, sie könnte mit einem Label auch ein bisschen Kohle machen. Irgendwie, weil so ein richtig „gescheitert“ Job ist das ja eh beides nicht. Und Blogger/Designer/usw. sind halt so. Genauso wie schwule Männer gerne rosa tragen, weil das tun sie in Sex and the City ja auch und das ist einfach einer der beliebtesten Geschlechterstereotype der Medien. Deshalb kann man es ja ruhig glauben.
Darauf wollte ich unter anderem hinaus. Mir geht es nicht darum, in welcher Blogger-Topf ich geworden werde, sondern in welchen Topf alle genannten Professionen im Artikel geworfen werden im Zusammenhang damit, dass die Menschen leider oft glauben, was in der Zeitung steht … Ich lese Steffi Luxat und eine Handvoll anderer schöner Lifestyle-Mamablogs wie gesagt auch manchmal gerne, das hat nichts damit zutun. Man braucht ja manchmal seine Dosis schöne Welt 😉
Liebe Grüße,
Judith