Ein bisschen Zucker hier, ein wenig Zucker da. Bei den meisten Müttern läuten beim Wort „Zucker“ die Alarmglocken. Zucker ist in vielen Lebensmitteln enthalten und lässt sich kaum vermeiden. Ernährungscoach und Fitnesstrainerin Michaela erklärt, warum sie trotzdem findet, dass unsere Kinder Zucker essen dürfen. In Maßen und ohne schlechtes Gewissen.
Vor kurzem hat ein Posting auf meiner Facebook-Seite für rege Diskussionen gesorgt. Ich habe dem kleinen Fräulein als Belohnung nach dem Kinderarzttermin einen Fruchtzwerge go! Quetschi gegeben und dafür einige kritische Kommentare geerntet. Unter anderem, weil Zucker enthalten ist. Obwohl ich die Zuckerwerte in guter Mama-Marnier vorher gecheckt hatte, hat mich das beschäftigt. Deshalb habe ich ein wenig recherchiert und Michaela Mörth, Ernährungscoach, Fitnesstrainerin und selbst Mutter von zwei Söhnen, nach ihrer Meinung zum Umgang mit Zucker bei Kindern gefragt.
S: Ich habe gelesen, theoretisch braucht unser Körper keinen Zucker. Was kannst du uns dazu sagen?
MM: JEIN. Der Körper braucht Kohlenhydrate. Das Gehirn lebt von den Kohlenhydraten. Wenn du keine Kohlenhydrate zuführst – was natürlich nicht unbedingt Zucker sein muss, keine Frage – dann muss sich der Körper diese mühsam aus dem Eiweiß umwandeln, was ihn wiederum müde macht. Das ist auch nicht so optimal.
Der Körper braucht insgesamt Eiweiß, Fette und Kohlenhydrate um Energie zu gewinnen. Das Gehirn lebt hauptsächlich davon, was an Kohlenhydraten umgewandelt wird. Wenn der Körper zu wenig oder gar keine Kohlenhydrate bekommt, holt er sich die Energie aus dem Eiweiß, welches aus den Muskeln abgebaut wird. Natürlich ist Zucker kein Kohlenhydrat-Hauptlieferant. Allerdings ist Zucker wiederum auch nicht so schädlich, dass man sagen muss, man braucht ihn gar nicht.
S: Also: manchmal Zucker ist ok? Zucker ist ja in vielen Lebensmitteln enthalten …
MM: Zucker ist unter anderem auch ein Geschmacksträger. Deshalb essen ihn Kinder (und Erwachsene) so gerne. Aber wenn du einem Kind gar keinen Zucker gibst und alles kontrollierst, inklusive Obst, denn da ist ja auch Zucker drin … Also ja, manchmal Zucker ist o.k. In Sachen Ernährung ist es am besten, dem Körper von allem ein bisschen etwas zuzuführen. Keine Extreme.
S: Thema künstlicher Zucker und „echter“ Zucker. Kannst du das ein wenig erklären?
MM: In Früchten ist Fruchtzucker (Fructose) enthalten. Unser Haushaltszucker (Saccarose), der ja auch in vielen Lebensmitteln enthalten ist, wird aus der Zuckerrübe hergestellt. Künstlicher Zucker sind Emulgatoren, welche schädlich für den Körper sind. Oft wird mit Light-Produkten oder mit „zuckerfrei“ geworben. Dann ist häufig kein Haushaltszucker enthalten, weshalb das Produkt natürlich zuckerfrei ist, dafür wurde aber ein Zuckerersatzstoff zugegeben. Auch den Kaffee süßt man bei Bedarf besser mit einem Löffel Zucker als mit Zuckerersatzstoffen. Diese bringen nämlich den Körper durcheinander. Der Körper produziert dann genauso Insulin, um den Zucker abzubauen, hat aber keinen Zucker, den er abbauen könnte.
S: Ich habe gelesen, heute werden bereits sehr viele Obstsorten (unter anderem Äpfel) unserem Geschmack angepasst extra süß schmeckend gezüchtet. Banane, Apfel, Birne usw. ist deshalb manchmal genauso süß wie ein Stück Schokolade, geht man nach dem Zuckergehalt.
MM: Auch das ist ein Grund, warum der aktuelle Smoothie Trend bedenklich ist. Wenn man Obst püriert hat man viel mehr Zucker in einem kleinen Getränk als man Obst in ganzen Stücken essen würde. Es fehlen aber die Balaststoffe, z.B. die Fasern, die der Darm braucht, um alles zu filtern, weil diese ja fein püriert wurden. Mit einem wirklich guten Mixer hat man überhaupt keine Faserstoffe mehr im Smoothie, die der Körper aber brauchen würde. Wenn man das Obst nur noch püriert, hat man konzentriert viel Zucker in wenig Getränk. Trinkt man davon aber mehr, weil es ja gut schmeckt, schießt das Energielevel schnell hoch und es sinkt auch schnell wieder extrem. Isst man die gleiche Menge Obst verteilt über den Tag, ergeben sich nicht solche Extreme nicht und man nimmt außerdem auch die Ballaststoffe zu sich, die der Darm braucht. Smoothies sind als Ergänzung zur Ernährung ab und zu eine feine Sache, aber auf Obst im ganzen Stück sollten wir nicht verzichten.
S: Wie viel Zucker kann man Kindern also geben?
MM: Das kann man so nicht sagen. Es gibt keine Tabelle mit Angaben, wie viel Gramm Eiweiß oder Zucker jeder Mensch braucht, weil jeder Körper anders ist. Es kommt auch stark auf den Energieverbrauch am Tag an.
Kinder verbrauchen vermutlich mehr Energie als Erwachsene im Büro, die sich meist den ganzen Tag nicht bewegen. Zucker ist eben eine Energiequelle, die das Level sehr schnell hochschnalzen und wieder abfallen lässt. Besser ist es, die Energie zum Beispiel aus Vollkornnudeln zu sich zu nehmen, wenn man sie nicht umgehend (z.B. beim anschließenden Sport) braucht. In weißen Nudeln ist zwar mehr Zucker enthalten, dafür bekommt der Körper die Energie sofort.
S: Vielleicht ist es also kein ganz so großer Fehler, den Kindern am Spielplatz manchmal auch ein Weißbrotsandwich zu geben, weil sie die Energie dort sowieso umgehend verbrennen?
MM: Ja und nein. Natürlich kommt es immer darauf an. Wer jeden Tag Zucker zählt, sollte bei besonderen Gelegenheiten auch einmal Ausnahmen machen. Bei einer Hochzeit auf die Hochzeitstorte zu verzichten, weil zu viel Zucker für den Tag drin ist, ist eigentlich Schwachsinn. Besser ist, man genießt es und hat nicht das Gefühl darauf verzichten zu müssen. Sonst droht der Heißhunger auf etwas, das man glaubt nicht haben zu dürfen. Man könnte auch einfach davor und danach mehr auf die Energiezufuhr durch Essen, z.B. mit mehr Gemüse und ohne Süßigkeiten sowie Saft, Cola oder ähnliches, schauen und hat dann dafür auch weniger „leere Kalorien“. Am Ende zählt nicht die Summe vom Tag und auch nicht der Woche sondern vond er gesamten Ernährung über Monate und Jahre. Man sollte sich nicht selbst kasteien, sonst schaufelt man irgendwann sinnlos und vielleicht sogar heimlich („hat eh keiner gesehen“) in sich hinein und hat ein schlechtes Gewissen.
Kann oder sollte man einem Kind angewöhnen, keinen Zucker zu essen?
MM: Ja, das funktioniert natürlich. Aber eher, weil das Kind nach Speisen greift, die es schon kennt. Wenn das Kind Schokolade nicht kennt, Apfel aber schon, wird es automatisch nach dem Apfel greifen. Das funktioniert so lange, bis es auf den Zucker-Geschmack kommt sicher gut.
So lange die Kinder noch nicht im Kindergarten oder irgendwo alleine auf Partys eingeladen sind, lässt sich das gut steuern. Bereits im Kindergarten kann man es nicht mehr so gut kontrollieren. Man weiß nicht unbedingt immer, was es zur Jause gibt oder ob bei Geburtstagsfesten Smarties & Co genascht werden. Dann kommt noch dazu, dass das Kind weiß, es darf das nicht und verheimlicht es vor den Eltern. Sobald die Kinder Taschengeld bekommen, hat man die Kontrolle verloren. Deshalb ist es für mich besser, die Ernährung zu mischen. Am Wochenende gibt es vielleicht Süßes als Nachspeise. Das genießen wir und es ist nicht verboten. Dann haben sie auch später das Vertrauen zu sagen, wann sie woanders genascht haben und man behält besser den Überblick.
Sich ganz ohne Zucker zu ernähren ist sehr schwierig, da ja auch in Obst, Gemüse oder Nudeln Zucker enthalten ist.
S: Wie ist das mit Diäten für Kinder?
MM: Extreme wie Diäten sind für Kinder prinzipiell nicht geeignet. Auch vegane Ernährung ist eigentlich nicht unbedingt ideal für Kinder, weil nicht ausgeglichen Nährstoffe zugeführt werden, die der kindliche Organismus braucht. Übrigens ist auch im Lieblingsgemüse der meisten Kinder, also Erbsen und Karotten, durchschnittlich etwas mehr Zucker enthalten.
S: Ist es für den Körper relevant ob man Fructose (aus Obst) oder Saccarose (aus Haushaltszucker) zu sich nimmt?
MM: Für den Körper ist das ganz gleich, Zucker ist Zucker. Wichtiger wäre es zu schauen, dass keine Ersatzstoffe enthalten sind. Zusätzlich ist in sogenannten Fastenprodukten oft auch nicht weniger Zucker enthalten. Bestenfalls in Form von künstlichen Geschmacksstoffen, was ja ebenfalls nicht gesund ist. Alternativ kann man in der Saison besser frische Früchte mit Naturjoghurt nehmen und bei Bedarf einen Löffel Zucker drüberstreuen. Das ist allenfalls besser als jedes „zuckerfreie“ Produkt mit Zuckerersatzstoffen.
Eine Banane ist zum Beispiel süßer, je reifer sie ist. Marathonläufer essen während dem Laufen Bananen. Am besten schon leicht braune, um durch den erhöhten Zuckergehalt schnell Energie zu bekommen. Fruchtzucker hat übrigens eine höhere Süßkraft (120) als Haushaltszucker (100). Zucker von Obst schmeckt in der gleichen Menge also süßer als Haushaltszucker.
S: Was macht der Körper mit dem überschüssigen Zucker?
MM: Alles, was man an Zucker zu viel zu sich nimmt wird als Fett gespeichert. Zusätzlich wird bei Zuckerersatzstoffen trotzdem Insulin produziert, welches der Körper gar nicht bräuchte, weil man keinen echten Zucker zu sich genommen hat sondern es dem Körper nur vorgaukelt. Man kann nicht sagen, Zucker ist unproblematisch. Bei übergewichtigen Kindern stimmt meist die Energieleistung am Ende nicht. Hat man einen ausgewogenen Ernährungsplan, werden sich „Ausrutscher“ kaum zu Buche schlagen. Am Ende sollte die Gesamtbilanz stimmen. Wir sollten unseren Kindern ein gesundes Gefühl für Ernährung näher bringen. Das fängt beim Frühstück an, denn sie brauchen die Energie vom Frühstück in der Schule, ebenso Mittagessen. Am Abend dagegen brauchen wir nicht mehr so viel zu Essen, da der Körper vor dem Schlafen gehen kaum mehr Energie braucht.
Liebe Michi, danke, dass du dir Zeit genommen hast für das Gespräch!
Verpflichtende Nährwertangaben auf Produkten
Seit einigen Jahren gibt es für Lebensmittel eine verpflichtende Informationsverordnung der EU, die unter anderem die Angabe der Menge an Kohlehydraten und Zucker im Produkt vorschreibt (nachzulesen bei der WKO oder beim Bundesministerium für Gesundheit). Es sind dabei immer die Referenzwerte angebeben die sich aber auf den Bedarf eines durchschnittlichen Erwachsenen beziehen. Ich habe keine Information gefunden, warum es keine Referenzmengenangaben für Kinder gibt, halte das aber für logisch. Kinder sind letztlich aufgrund ihres Wachstums schwer in Gewichts- und Größenklassen einzuteilen, die man dann auf einen kiloschweren Beipackzettel zu jedem Joghurt dazulegen müsste.
Trockenfrüchte vs. Frischobst
Was wir oft nicht bedenken: die im Winter bei Eltern und Kindern sehr beliebten Trockenfrüchte enthalten deutlich mehr Kohlenhydrate und damit Zucker als frisches Obst. Hier sollte man genauso vorsichtig sein, wie bei anderen Süßigkeiten, damit Trockenobst nicht zum gefürchteten Dickmacher wird.
Kinderlebensmittel
Was Kinderlebensmittel sind ist per Definition gesetztlich nicht genau geregelt. Eigentlich brauchen Kinder ab dem ersten Lebensjahr ja auch keine speziellen Lebensmittel sondern sollten am Familientisch mitessen. Natürlich können wir nicht abstreiten, dass Kinder bunte Figuren aus ihren Lieblingsserien lieben und sich dann gerne auf entsprechend designte Produkte im Supermarkt stürzen („Mamaaaaa, darf ich? Büüüüüdeeeeee!“). Gesetztlich gelten für diese Lebensmittel aber die gleichen Auflagen für Erwachsene. In manchen dieser Lebensmittel ist mehr Zucker enthalten als im Durchschnitt und in manchen weniger. Wer sich genau informieren möchte, sollte auf jeden Fall die Nährwerttabelle checken und vergleichen. Wie im interview erwähnt ist es vor allem wichtig, darauf zu schauen, dass nur „richtiger Zucker“ enthalten ist. Zusätzlich habe ich eine interessante Erhebung zum Thema Kinderlebensmittel bei der Arbeiterkammer Steiermark gefunden, bei der viele Produkte unterschiedlicher Hersteller genauer unter die Lupe genommen werden.
Und wie ist das jetzt mit den Fruchtzwergen?
Da die Zucker-Diskussion auf Facebook durch mein Fruchtzwerge-Go! Posting ausgelöst wurde, möchte ich diese hier als Beispiel zeigen. Ich hatte vorab verglichen, wie hoch der Zuckergehalt in den Fruchtzwerge go! Quetschies ist und war beruhigt. Wir erinnern uns an Fruchtzwerge aus unserer Kindheit und denken an Zuckerbomben. Dabei wurde der Zuckergehalt erstens bereits reduziert und zweitens ist er in den Quetschies noch niedriger als in vielen vergleichbaren Joghurts. Auch die klassichen Fruchtzwerge unterscheiden sich nicht besonders von den Joghurts für Erwachsene, sieht man einmal vom bunten Design ab.
Hier der Vergleich laut Nährwerttabelle pro 100g Produkt:
Fruchtzwerge go!: 10,5g (li.o)
Fruchtzwerge: 13,1g (re.o.)
ja! natürlich Müsli mit frischem Apfel: 4,9g (li.u./der „Gewinner“)
ja! natürlich Heidelbeeren: 13g (re.u./der, den ich sonst kaufen würde)
Ich war fast ein wenig geschockt, denn wenn ich nicht im Sommer Naturjoghurt kaufe und frische Früchte zugebe, kaufe ich normalerweise einfach Fruchtjoghurt. Der hat am Ende auch nicht weniger Zucker. So kann man sich irren …
Mein Fazit und warum Kinder Zucker essen dürfen
Ich glaube, wir haben bislang nicht so viel falsch gemacht. Ich werde weiterhin kaufen und kochen was ich bisher gekauft habe und versuchen, meinen Kindern einen gesunden Umgang mit Lebensmitteln und auch Zucker in Lebensmitteln zu vermitteln. ich glaube, das ist am Ende neben ausreichend Bewegung und einer positiven Lebenseinstellung am wichtigsten …
Wie ist das bei euch? Schaut ihr euch die Nährwerttabellen an und legt ein Produkt auch mal zurück ins Regal? Dürfen sich eure Kids im Supermarkt auch manchmal etwas aussuchen, was vielleicht nicht ganz so gesund ist?
Dieser Beitrag entstand indirekt im Rahmen einer bezahlten Kooperation mit Danone. Das Thema Zucker im Essen ist mir wichtig, weshalb ich hier ein wenig Klarheit und Aufklärung schaffen wollte. Er ist nicht beauftragt worden, war aber eine mir wichtige Reaktion auf euren Input. Danke für euer Feedback!
[…] Thema Zucker (unter anderem in Kinderprodukten) habe ich mir kürzlich erst im Interview mit Ernährungscoach Michaela: Die Wahrheit über Zucker im Essen eurer Kinder genauer angesehen. Fruchtzwerge go! enthalten wie fast alle Fruchtjoghurts Zucker, der Wert liegt […]
Habe Deinen Artikel mit Interesse gelesen – das Thema Zucker beschäftigt uns auch sehr und eine 100%ige Lösung Habenseite da noch nicht gefunden. Wahrscheinlich gibt es die gar nicht. Jedenfalls halte ich nichts von absoluten Verboten, weiche aber im Zweifelsfalle lieber auf Trockenobst aus, weil ich hoffe, dass da noch ein bisschen extra Nährstoff drin schlummert (im Gegensatz zum Eis, oder so). Trotzdem finde ich, das Leben sollte genossen werden und die Kinder mit Freude und nicht mit Zwang an das Thema gesund essen herangeführt werden.
Danke, dass du die Angst vor Zucker hier ein wenig ins Verhältnis setzt – das beruhigt.
Hi Josi,
ja, ich glaube die Lösung liegt einfach erstens im Mittelweg und zweitens darin, was wir akzeptabel finden. Ich möchte ja in Wirklichkeit auch nur darauf aufmerksam machen, dass eine Panik was Zucker angeht auch nicht der beste Weg sein kann. Ich esse schließlich auch Zucker und ich kenne nur wenige, die „No Shugar“ wirklich für immer durchhalten, so sie wegen einer Intoleranz nicht müssen (und selbst da verwendet meine Freundin Ersatzprodukte …)
Liebe Grüße, Judith
Wow absolut super toller Artikel….vielen Dank für diesen großartigen Einblick in dieses doch sehr verzwickte Thema.
liebe Grüße Meliha
Liebe Meliha, danke dir!