Agnes hat zwei ihrer drei kleinen Wunder zu Hause zur Welt gebracht. Einmal ungeplant und einmal geplant. Im letzten Beitrag findet ihr ihre Geschichte zur ihren drei Geburten. Heute habe ich ihr zu diesem Thema noch ein paar Fragen gestellt.
Zur Hausgeburt
Eine Hausgeburt ist nur dann möglich, wenn vorab keine medizinische Indikation, wie etwa Beckenendlage (BEL Schwangerschaftsdiabetes oder andere Auffälligkeiten am Kind oder an der Mutter, auftreten, die dagegen sprechen. In solchen Fällen kann nur im Krankenhaus entbunden werden. Was allerdings definitiv möglich ist, ist eine Hausgeburt nach Kaiserschnitt, wenn vorab. mit Mutter und Kind alles in Ordnung ist.
Hausgeburtshebammen arbeiten umsichtig und vorsichtig. Bei bestimmten Auffälligkeiten überstellen sie die Schwangere ins Krankenhaus. Es ist gesetzlich geregelt, in welchen Fällen ein Arzt anwesend sein muß. Hausgeburten sind daher heute eine sehr sichere Alternative zur Geburt im Krankenhaus, das Risiko ist gering. Außerdem kommt es bei Hausgeburten wesentlich seltener zu medizinischen Interventionen, die im Krankenhaus sehr häufig weitere medizinische Interventionen nach sich ziehen (damit meine ich z.B.: Einleitung der Geburt, infolge PDA wegen langer Dauer und Erschöpfung, erneute Einleitung weil Wehenstillstand, daraufhin vielleicht weitere Störungen wie etwa veränderter Herzschlag, … usw.). Das muß man jetzt einfach so sagen: bei einer Geburt zu Hause fallen bestimmte Vorschriften zu Abläufen und Vorgehensweisen im Krankenhaus weg, denen sich das Personal nicht entziehen kann. Der Zeitfaktor spielt ebenfalls eine große Rolle. Eine Hebamme hat mehr Zeit, eine Geburt „auszusitzen“ als das Personal in einer oftmals überfüllte Geburtenstation. Deine Hebamme kann dich gezielter beim Durchstehen und Veratmen der Wehen unterstützen, deiner Hebamme ist es egal ob die Geburt drei Stunden oder 30 dauert – sie hat die Zeit eingeplant. Deine Hebamme wird es nicht eilig haben mit der Nachgeburt.
Alles in allem sprechen bei einer gesunden Schwangeren und gesundem Baby sehr viele Gründe für eine Hausgeburt und nur sehr wenige dagegen.
Interview mit Agnes zur Hausgeburt
Liebe Agnes, vielen Dank, dass du dir Zeit für meine Fragen nimmst.
Den Beginn möchte ich mit einer Frage von meinem Mann machen, denn für Männer ist die Idee, sein Baby zu Hause zur Welt bringen zu wollen offenbar sehr abwegig: Warum macht man das überhaupt? … in MEINEN WORTEN:
Was war dein Beweggrund, dass du bei der zweiten Geburt eine Hausgeburt in Betracht gezogen und bei der dritten dann fix geplant hast?
Da wir nach der ersten Geburt 2006 schon „mutig“ am nächsten Tag nach Hause gegangen sind, war zunächst für die zweite Geburt wieder eine ambulante Geburt geplant. ABER: Mit eigener Hebamme (da ich mich da leider nicht wirklich gut versorgt/unterstützt gefühlt habe). Ich fragte bei Martina Klasz an, die uns damals ambulant nachbetreut hatte, die war aber gerade selbst in Karenz und berichtete vom neuen Geburtshaus „von Anfang an“. So befragten wir das Internet und unsere Wahl fiel auf Rotraud Zeilinger aus dem Geburtshaus-Team. Beim ersten Treffen sprachen wir über die Möglichkeit, im Geburtshaus zu entbinden… oder mit Hausgeburt zuhause…
Mein Mann und ich stellten uns dann eigentlich sehr schnell die Frage, warum wir eigentlich in ein anderes Haus (das kein Krankenhaus ist) fahren sollten, wenn es zu Hause auch möglich wäre?
(Was meine Entscheidung glaube ich auch mit beeinflusst hat, war es, dass bei der ersten Geburt eine natürliche Geburt möglich war und wir somit (anatomische) Komplikationen ausschließen konnten. Ob ich mich genauso „gelassen“ als Erstgebärende auf eine Hausgeburt „eingelassen“ hätte, weiß ich nicht…)
Die „Kliniktasche“ war für die 2. Geburt gepackt, aber dankbarer Weise war der kleine Mann so flott, dass er uns die Entscheidung damals 2010 abnahm. Wir kamen gar nicht zum Überlegen… Ich war in Erinnerung an die erste Geburt der Annahme, dass ich noch „Stunden“ Wehen haben würde… aber 10 Minuten nach Rotrauds Ankunft hielt ich schon den kleinen Florin in den Armen! Aber auch wenn wir noch ein bisschen mehr Zeit gehabt hätten, hätten wir uns sicher fürs Daheimbleiben entschieden.
Und nach dieser sehr harmonischen, stressfreien, wunderschönen Hausgeburt, bei der ich nur von vertrauten Personen umgeben war (und ohne mit Wehen im Auto sitzen zu müssen, ohne formelle / bürokratische „Hürden“ wie Anmeldung, CTG,…) war für mich und uns sofort klar, dass wir unser drittes Kind auch wieder zu Hause bekommen würden. 2015 hatte ich nicht einmal eine Tasche gepackt 😉
Was für uns den besonderen „Zauber“ der Hausgeburt ausmacht, ist – wenn das auch komisch klingt – nicht die Geburt an sich, sondern die wunderbare Zeit danach! Nur wir (die Eltern) und die Hebamme wissen, dass das Baby schon da ist. Du fühlst dich wie in einer Zeitblase. Nachdem die Hebamme weg ist, kuschelst du dich zu dritt mit dem frisch geschlüpften Menschlein ins gewohnte heimelige Bett und schläfst glücklich ein. Diesen Moment kannst du nur zu Hause so intensiv erleben.
Im Wochenbett bekommst du keinen unangemeldeten Besuch. Du kannst deine BesucherInnen selbst einladen und auch gleich darum bitten, was sie mitbringen dürfen (zur Jause, zum Essen,…)
Welche Rolle hat dein Mann bei den Überlegungen und der Entscheidung für eine Hausgeburt gespielt?
Unser erstes Kind kam im Hochsommer 2006 auf die Welt. Beim Geburtsvorbereitungskurs hatte mein Mann die Vorstellung, dann mit dem neugeborenen Baby im Krankenpauspark spazieren zu gehen und fragte auch, ob das möglich sei. Nein, Babies dürfen das Haus nicht verlassen… und wir bekamen auch die Sichtweise vermittelt, dass die Väter im Krankenhaus nur Besucher sein können, die an der Bettkante sitzen und sie bei der ambulanten Entbindung gleich an der kleinen Familie teilhaben können. So war es damals (glaube ich) mein Mann Peter, der als erster von uns beiden die ambulante Entbindung in Erwägung zog.
Und dann 2010? Puh, ich glaube, da waren wir uns beide ziemlich gleichzeitig über den Gedanken einig 😉
Wie findet man eine Hebamme, die auch Hausgeburten betreut?
In unserem Fall würde ich sagen, dass unsere Hebamme uns gefunden hat 😉 Rotraud hat gleich bei unserem ersten Treffen so eine Sicherheit und Vertrautheit ausgestrahlt, dass uns eine mögliche Hausgeburt sofort als die natürlichste Sache der Welt vorkam.
Was war im Rahmen der Vorbereitungen auf die Geburt anders als beim ersten Mal, als eine Geburt im Krankenhaus geplant war?
Prinzipiell glaub ich, dass man sich auf jede weitere Geburt viel gelassener als auf die erste vorbereitet… Bei der ersten hab ich noch Packlisten für die „Kliniktasche“ verglichen…
Für die Hausgeburt mussten wir eigentlich nur 3 Sachen daheim haben: wasserdichte Wegwerf-Bettauflagen, die großen Binden für Wöchnerinnen und Netzunterhosen. Das wars.
Wie haben eure Eltern reagiert, bzw. musstest du deine Entscheidung „verteidigen“?
Nach der Geburt des ersten Enkelkindes 2006 kamen alle frischgebackenen Großeltern noch nichtsahnend ins Krankenhaus auf Besuch. Wir hatten von unserer Idee der ambulanten Entbindung nichts erwähnt, um uns etwaige Diskussionen zu ersparen – man weiß ja nie…
Ein paar Stunden später waren wir zu dritt schon daheim. Die Reaktion der Schwiegermutter war damals: „Das könnt ihr doch nicht machen!!!“ Aber nicht im Sinne von „Wie könnt ihr nur so unvernünftig sein und gleich mit dem Baby nach Hause gehen?!“ Es war so gemeint: „Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich schon ganz viel für euch vorkochen können!“
Am nächsten Tag waren meine Schwiegereltern gleich um 7 Uhr einkaufen, kochten, was das Zeug hielt und rauschten bei uns am Nachmittag mit zwei vollen Kühlboxen ein 🙂
2010 erwähnten wir unsere Gedanken an eine Hausgeburt nicht. Auf die freudige Nachricht, dass der zweite Enkelsohn (per Hausgeburt) auf der Welt ist reagierte meine Mutter mit einem bestärkenden/bewundernden: „Mah, du bist gscheit!“
Und 2015 sind dann alle Familienmitglieder ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass das dritte Enkelkind wieder zu Hause auf die Welt kommen wird!
Was würdest du Schwangeren raten, um aufgrund von Zureden von Außen nicht an ihrer Entscheidung zu zweifeln?
Jede Geburt eines Kindes ist ein so intimes, einzigartiges, wundervolles Erlebnis. Ich denke, da sollte jede Frau wirklich ganz gut in sich hinein hören und sich auf ihr Bauchgefühl verlassen. Als Erstgebärende ist das sicher nicht so leicht, da lässt man sich noch viel leichter verunsichern.
Die Geburt ist ein einmaliges Ereignis. Da kannst du nicht sagen. „Gut, beim nächsten Mal mach ichs dann so, wie ichs mir vorgestellt habe…“ Da ist die Chance vorbei.
Ich glaube auch, dass der Partner hier eine ganz wichtige Rolle einnimmt. Ich hatte das Glück, dass Peter voll und ganz meine Wünsche/Ansichten/Vorstellungen teilte. Da kann man dann auch sicher leichter über „gute Ratschläge“ von außen hinweghören.
Und ganz wichtig ist natürlich die Hebamme! Die werdenden Eltern und die Hebamme sind das „Team“, das dem Kind einen entspannten Start ins Leben ermöglichen möchte. Alle anderen haben darüber, wie und wo das geschehen soll, einfach kein Mitspracherecht.
Und die Hebamme hat sicher auch viele gute Tipps auf Lager in Richtung: „Was sage ich / wie verhalte ich mich, wenn…“
Warst du vor den Hausgeburten nervöser als vor der geplanten ambulanten Geburt?
Nein. Durch die vertraute Umgebung, die vertrauten Personen war ich sehr entspannt. Zweifel kommen vor jeder Geburt beim Näherrücken des Geburtstermins: „Werde ich das schaffen?“ oder so. Aber am Beginn der Geburt sind diese Gedanken dann wie weggewischt!
Zuhause kannst du dich voll und ganz auf die Geburt konzentrieren. Du musst keine Wehenlängen-/Abstände messen, um zu überlegen, wann du los fahren solltest. Und keine Fragen von fremden Außenstehenden beantworten. (Die einzige Frage, die du dir selbst stellen musst, ist: „Wann rufe ich die Hebamme an?“ 😉 )
Ich konnte mich einfach fallen lassen und wusste, dass alles gut wird!
Ich bin davon überzeugt, dass die entspannte Atmosphäre wesentlich zu einem schnelleren (und auch komplikationsfreieren?) Geburtsvorgang beiträgt und dem Kind somit einen entspannten Start ins Leben ermöglicht.
Nachdem du beides erlebt hast: gab dir als Mutter das Krankenhaus vom Gefühl her wirklich mehr Sicherheit?
Nein, überhaupt nicht. Das habe ich ja teilweise mit der Antwort auf die vorige Frage bereits beantwortet.
Du hast bestimmt schon vielen anderen Schwangeren und Müttern von deiner Hausgeburt erzählt. Wie waren die Reaktionen und haben sich aufgrund deiner positiven Einstellung auch schon andere für eine Hausgeburt entschieden?
Die Reaktionen auf unsere Hausgeburten sind eigentlich alle positiv. Meist reagieren die Menschen zuerst überrascht und dann bewundernd.
Im Oktober kam mein Neffe –zu Hause, auch mit Rotraud – auf die Welt. Eine Hausgeburt wäre auch ohne meine Hausgeburten geplant gewesen.
Jede einzelne weitergegebene positive Hausgeburts-Erfahrung kann den „aufkeimenden“ Gedanken an eine Hausgeburt in einer Schwangeren wachsen lassen.
Danke, dass du uns deine schöne Geschichte zur Verfügung gestellt und dir Zeit genommen hast für meine Fragen. Agnes‘ Bericht zu ihren Geburten findet ihr ebenfalls hier am Blog. Wenn auch ihr eure Geschichte teilen und anderen Mut machen wollt, dann meldet euch gerne bei mir per Mail.
Weiterlesen zum Thema Hausgeburt
Erfahrungsbericht einer Hausgeburt
Infos zur Hausgeburt bei Hebemmanhandwerk
Fotos: by Stephanie Rimoux Lifestyle Photography