Hausgeburten sind bei uns in Österreich immer noch außergewöhnlich. Etwas, das bei vielen Respekt hervorruft oder Staunen. Dabei ist Gebären das natürlichste auf der Welt. Etwas, was Frauen seit Jahrhunderten tun. Und unter heutigen Bedingungen ist eine Hausgeburt nicht riskanter als eine Geburt im Krankenhaus.
Manchmal braucht man nur ein gutes Beispiel. Eine schöne Geschichte und der Stein kommt in Gedanken ins Rollen. Unsicherheiten müssen beseitigt werden oder vielleicht auch nicht. Genau deshalb habe ich Agnes gebeten, über ihre wundervollen Hausgeburten zu berichten. Ich hab mich sehr gefreut, dass sie ja gesagt hat.
Eines möchte ich dazu noch sagen: Eine Hausgeburt kann und soll wundervoll sein. Ihr solltet euch aber vorab im klaren darüber sein, ob es für beide Partner das richtige ist. Sprecht darüber. Ausführlich und am besten mit einer Hebamme, die Hausgeburten betreut.
Agnes hat mir den Link zu ihrem wirklich berührenden Bericht über die Geburten ihrer drei Söhne auf der Doulas in Austria Seite geschickt. Ich hatte Tränen in den Augen, so schön war er. Zwei ihrer drei Söhne sind zu Hause zur Welt gekommen. Ich finde das wundervoll und habe sie einerseits gebeten, ob ich ihren Bericht hier mit euch teilen kann und andererseits, ob sie auch Lust hat, mir ein paar persönliche Fragen zum Thema Hausgeburt zu beantworten.
Agnes erzählt …
Am 25.6.2006 kam Stefan, unser erstes Kind, klassisch im St. Josef Spital auf die Welt. Im Vorfeld hatten wir uns nicht über verschiedene Geburtsmöglichkeiten informiert und uns dann beim Geburtsvorbereitungskurs mit Martina Klasz spontan entschieden, ambulant zu entbinden. Das hielten wir damals „geheim“, um uns eventuelle Diskussionen mit der Familie zu sparen.
Es war ein Sonntag, ein sehr heißer Tag. Nach dem Frühstück mit Wehen ins Krankenhaus, Spazieren und Wehen-Veratmen im Garten dort, kein Mittagessen für mich, da ich nicht dafür „angemeldet“ war… Irgendwann kippte mein Kreislauf weg… Die Geburt erlebte ich dadurch nicht bewusst mit… Um 18:42 war Stefan schließlich da. Ich war so „im Delirium“, dass ich nicht einmal sprechen konnte…
Am nächsten Tag nahm ich all meine Kräfte zusammen und wir – die kleine frische Familie – fühlten uns wie Helden, da wir „mutig“ das Krankenhaus verließen 😃
Die frischgebackenen Großeltern waren übrigens von unserer Entscheidung begeistert und rauschten gleich mit Speisen fürs Wochenbett ein. Wir genossen die Nachbetreuung daheim sehr!
Die zweite Geburt: hoppla, das ging schnell – ungeplante Hausgeburt
Im Herbst 2009 war ich wieder schwanger. Sofort kontaktierte ich „unsere“ Hebamme Martina Klasz. Diese war zur Zeit selbst in Karenz, gab uns aber die Info, dass sie gemeinsam mit anderen Hebammen das neue Geburtshaus „von Anfang an“ bald eröffnen würde und wir dort sicher eine Hebamme für die Geburt finden würden.
Gegoogelt, gesucht, für Rotraud Zeilinger entschieden. Erstes Telefonat. Erstes Treffen. Rotraud strahlte sofort so ein Vertrauen, so eine Sicherheit aus, dass wir die kurze Idee einer Geburtshaus-Geburt gleich wieder verwarfen und uns darauf einigten, dann gemeinsam zu entscheiden, ob wir ins Krankenhaus zur ambulanten Entbindung fahren oder doch gleich daheim bleiben.
Diese Entscheidung nahm uns dann am 4.6.2010 unser schneller Florin ab. Rotraud sprang bei ihrer Ankunft aus dem Auto, Peter (mein Mann) wunderte sich über ihre Eile. Die Wehen waren schon stark, aber ich war darauf eingestellt, dass es noch Stunden dauern würde… Rotraud war da, untersuchte mich „Stiegenhaus oder Parkplatz, weiter kommen wir nicht mehr!“ und 10 Minuten später hielt ich schon (etwas verwundert) unseren kleinen Florin in Händen. Es war ein wundervolles Erlebnis – so entspannt, so heimelig!
Die dritte Geburt: geplante Hausgeburt
Nach einer 11wöchigen Schwangerschaft im Herbst 2013 war ich im Frühjahr 2015 wieder schwanger. Sofort stand (für Peter und mich) fest: wieder mit Rotraud, wieder Hausgeburt!
Entbindungstermin war der 31.12.2015.
Rotraud befand sich über das Wochenende vor Weihnachten noch auf einem Kurzurlaub, ihre Vertretung war Martina Klasz, die uns 2006 bei Stefan nachbetreut hatte.
Und… auf Peters Firmen-Weihnachtsfeier am 18.12. bekam ich Wehen. 2 Stunden lang. Mir war nicht nach Smalltalk mit den Leuten an unserem Tisch. Vom köstlichen Buffet aß ich nur wenige Antipasti und dann entschieden wir uns für die Heimfahrt. Telefonat mit der Vertretungshebamme. Wehen alle 7 Minuten. Beim Betreten der Wohnung waren die Wehen vorbei…
Am 22.12. hatte ich beim Abendessen-Kochen wieder Wehen, alle 10 Minuten, ausstrahlend in die Oberschenkel. Die Burschen wurden sicherheitshalber zu den Großeltern ausquartiert, Rotraud kam um 21:00. Wir plauderten, die Wehen wurden schwächer… Bei der Untersuchung stellte sie dann fest, dass der Muttermund noch ganz zu war… Fehlalarm. Rotraud ließ den Gebärhocker gleich bei uns, da sie keine ausstehende Hausgeburt mehr hatte. Die großen Brüder waren traurig, dass ihr kleiner Bruder doch noch nicht da war…
Am 23.12. kauften wir fürs große Familien-Weihnachtsessen ein und ich schrieb ein SMS an meine Eltern und an meinen Bruder „Liebe Weihnachtsgäste! Wir sind zuversichtlich, dass es bis morgen Abend ruhig bleibt und haben fürs Weihnachtsessen eingekauft 😃“
Von 23.12. auf 24.12. schlafen die Kinder traditionell bei den Großeltern. Wir räumten die Wohnung auf, stellten den Baum auf, montierten die Kerzen. Der Baum war noch nicht fertig, die Geschenke noch nicht verpackt. Es war mittlerweile schon nach Mitternacht. Ich wollte eigentlich noch alles fertig machen, aber wir entschieden uns dann doch, schlafen zu gehen. Peter meinte: „Wir machen das in Ruhe morgen fertig!“
Beim Schlafengehen sagte er noch: „Du schaust eigentlich nicht so aus, als ob du bald das Baby bekommst.“
24.12., 5:00: Ich merkte im Halbschlaf leichten Ausfluss, wankte aufs Klo… Pyjamahose nass, erste heftige Wehe… Mein erster Gedanke: „Der nächste Dickschädel in unserer Familie. Der junge Mann möchte einen besonderen Geburtstag haben!“
Peter geweckt, wieder hingelegt, heftige Wehen ca. alle 20 Minuten, dazwischen wäre ich immer fast weggedöst, wenn Peter dazwischen nicht immer nachgefragt hätte, ob ich wieder eine Wehe habe…
7:00 Telefonat mit Rotraud. Sie wollte noch schnell duschen und dann gleich kommen. Peter hörte „duschen“, hielt das für eine gute Idee und schickte mich ins Bett, um auch noch schnell duschen zu gehen…
Rotraud kam, ich veratmete die Wehen aufgestützt auf unser Kastl im Vorzimmer. Wir übersiedelten dann bald zur Untersuchung auf den Gebärhocker und ich konnte bereits mitpressen. Um 8:10 hielt ich Clemens, unser ganz persönliches Christkind, in Händen.
Clemens war auch Rotrauds erstes Christkind nach 28 Hebammen-Jahren
Nachdem uns Rotraud verlassen hatte, befanden sich Clemens, Peter und ich wie in einer Zeitblase. Niemand sonst (außer Rotraud) wusste, dass er schon da war
Wir kuschelten zu dritt im Bett und holten ein paar Stunden Schlaf nach.
Zu Mittag kamen kurz die großen Brüder vorbei und nach dem Krippenspiel war die ganze Familie ca um 17:00 zum Weihnachtsessen bei uns versammelt. Später kamen dann auch Peters Eltern noch vorbei, um Clemens willkommen zu heißen.
In der Weihnachtsmette verlautbarte unser Diakon freudig die Geburt von unserem Clemens. Etwa 2 Wochen nach der Geburt sprach uns eine Frau aus der Pfarre an und meinte, dass das sicher traurig für die Kinder gewesen sein muss, dass „die Mama“ zu Weihnachten nicht da war. Ich schaute fragend und dachte mir: „Wo sollte ich gewesen sein?“ Peter antwortete: „Wir sind ohnehin daheim geblieben!“ Ah, da dämmerte es mir: „Aja, wir hätten da auch ins Spital fahren können…“ So fern war mir diese Vorstellung mittlerweile 😉
Ich bedanke mich ❤
❤
❤lich bei Rotraud, dass wir durch sie und mit ihr zwei wunderbare Hausgeburten erleben durften. Bei Clemens hatte ich nicht einmal eine „Not-Kliniktasche“ gepackt… Wenn mir jemand vor 15 Jahren gesagt hätte, dass ich zwei Kinder zuhause auf die Welt bringen würde, hätte ich das (damals) nicht geglaubt…
Ich wünsche Dir einen Weg, den Du gerne gehst.
Einen Weg, dessen Steine Du nicht spürst,
und den Du leichten Fußes beschreiten kannst.Ich wünsche Dir einen Weg, der nicht endlos ist,
einen Weg, auf dem Du ein Ziel vor Augen hast –
ein Ziel, das Dich erfüllt. (unbekannt)
Dieses Gedicht passt für mich so gut zum Thema Hausgeburt, weil Außenstehende oft nicht verstehen können, warum Mütter sich eine geborgene Geburt in den eigenen vier Wänden und sich in Aussicht einer gesunden Geburt einen anderen Weg wünschen als viele andere Eltern. Natürlich sind die Bedenken berechtigt: früher waren die Risiken einer Hausgeburten einfach viel höher. Alleine das der Geburt vorangehende Kontrollnetz ist heute viel dichter und sicherer. Die Technik hat sich verbessert und man kann leichter abschätzen, ob eine Hausgeburt ein Risiko bedeuten könnte (und demnach nicht in Frage kommt) oder nicht.
Interview mit Agnes
Ich freue mich, dass Agnes sich die Zeit genommen hat, mir auch ein paar Fragen dazu zu beantworten. Das Interview wird es gleich morgen ebenfalls hier am Blog geben.
Weiterlesen zum Thema Hausgeburt
Agnes‘ Interview zu ihren Hausgeburten
Erfahrungsbericht einer Hausgeburt
Infos zur Hausgeburt bei Hebemmanhandwerk
Fotos: by Stephanie Rimoux Lifestyle Photography
Einfach wunderschön zu lesen! Vielen Dank für diesen tollen Bericht!