Tragen erfüllt einige wichtige Grundbedürfnisse für Babys. Sie fühlen sie geborgen, beschützt und geliebt. Fest angekuschelt an Mama bekommt mein Baby all das und ich habe zwei Hände frei. Ein Vorteil, wenn mein Baby ungefähr 24 Stunden am Tag getragen werden möchte.

Als unsere große Tochter zur Welt gekommen ist, haben nur wenige Eltern getragen. Wisst ihr, was ich damals gemacht habe? Ich dachte mir: ist sicher praktisch. Dann hab ich gegoogelt, eine passende Trage gefunden, die mein Kind angeblich nicht kaputt macht und hab sie mir gebraucht gekauft. Bevor unsere Tochter zur Welt kam. Ohne Test, ohne Hilfe beim Aussuchen oder Anlegen, ohne Anleitung. Ich wusste überhaupt nicht, dass es so etwas wie Trageberaterinnen gibt, aber irgendwie hat es gepasst.

Tragen Trageberatung

Tragetuch kam für mich damals nicht in Frage. Zu kompliziert, zu viele Bedenken ich könnte ja etwas falsch machen. Erst Jahre später habe ich schätzen gelernt, was in einer Trageberatung an Wissen weiter gegeben wird. Sie hat mir so viele praktische Tricks mit dem Tuch gezeigt, die mich jahrelang begleitet haben.

Petra Etzelstorfer ist ausgebildete Trageberaterin und Familienbegleiterin und hat viele Jahre lang Mamas nicht nur beim Tragen unterstützt. Mittlerweile ist aus ihrer Liebe zum Tragen  unter der Marke Wiener Label sogar ihr eigenes Tragetuch und ein Ring Sling entstanden. Im Interview plaudert sie ein bisschen aus dem Nähkästchen und erzählt über’s Tragen und das passende Material. Liebe Petra, vielen Dank, dass du dir Zeit dafür nimmst.

Was tut eine Trageberaterin? Wann brauche ich überhaupt eine?

Zu allererst sind wir dafür da, Eltern zu zeigen wie Tragehilfe und Tragetuch richtig eingestellt und gebunden werden! Wir informieren Familien, warum Tragen in der Natur unseres Wesens liegt und haben unheimlich viele Tipps und Tricks rund ums Tragen in unserem riesigen Köfferchen.
Schon oft habe ich gehört: „Steht ja eh alles in der Beilage oder ist auf Youtube!“. Vieles, aber eben nicht alles, ist so erklärt, dass sich Eltern auskennen und genau da kommen wir ins Spiel!
Wir informieren Eltern über die eigene richtige Haltung und die richtige Haltung des Kindes! Wir erklären welche Vorteile das Tragen hat, regen das Bauchgefühl der Eltern an und bestärken sie dadurch!

Wann eine Mama eine Trageberatung braucht, ist sehr individuell! Natürlich gibt es Eltern die von Anfang an alles „richtig“ machen mit Trage und Tuch! Grundsätzlich denke ich, dass es sinnvoll ist eine Trageberaterin aufzusuchen, wenn man selbst keine Erfahrung mit Trage oder Tuch hat und sich im Umfeld auch niemand mit Erfahrung finden lässt.
Warum? Weil durch Ausprobieren und Herumwurschteln das Tragen schnell ad acta gelegt werden kann, weil es als unangenehm, unpraktisch oder stressig empfunden wird. So kommen Eltern und Baby vielleicht gar nicht in den Genuss des gemütlichen und super unterstützenden Tragens. Das wäre wirklich schade! Außerdem kann eine Trageberaterin helfen, dass es eben nicht zu Rückenschmerzen bei der Tragemama kommt.

Kurz und knapp: ich komm Nachhause zur Familie und erzähle ihr mal viel Wissenswertes rund ums Tragen! Mit dabei habe ich meine Tragepuppe „Schlomo“. Mit ihr zeige ich die richtige Position in der Trage oder die Bindeweise  mit dem Tragetuch. Und worauf bei Mutter und Kind zu achten ist! Schlomo ist circa so schwer wie ein Baby und daher super geeignet zum Üben. Es gilt: „No training on the real baby!“. Anschließend hat die Mutter reichlich Zeit mit Schlomo zu üben. Wenn sie sich sicher genug fühlt, ist das Baby dran. Ich gehe erst, wenn alle sich sicher fühlen und es sich auch alleine zutrauen!

Was ist das Wichtigste, wenn ich mir eine neue Trage für mein Baby kaufen will?

Kauf die Tragehilfe nicht in der Schwangerschaft! Warte ab, bis dein Baby da ist! (Anmerkung Stadtmama: nicht wie ich damals also … haha) Die Trage soll die optimale Anhock – Spreizhaltung für dein Kind gewährleisten. Achte darauf, dass der Stoff der Tragehilfe weich genug ist, um sich an den Rücken deines Kindes gut anzupassen. Die Tragehilfe soll das Gewicht deines Kindes gleichmäßig an deinem Körper verteilen. Du sollst ja auch Spaß am Tragen haben.

Wähle eine Trage, die für dich und dein Kind passt. Schau nicht, welche Trage deine Freundin verwendet. Achte darauf, mit welcher du dich am Wohlsten fühlst.

Was mache ich, wenn ich eine gebrauchte Trage von meiner Freundin bekomme

Tragehilfen sind nicht gerade billig. Daher wäre meine erste Empfehlung, mit dieser scheinbar unpassenden Trage zu einer Trageberatin zu gehen, die dir dann zeigen kann, wie du deine Trage pimpst. Wenn du merkst, du bist mit dem „aufpimpen“ der Trage nicht zufrieden, dann schau dir bei der Trageberaterin an, welche sie noch in ihrem Köfferchen hat.

Tragen

Welche Tragen gibt es und welche empfiehlst du?

Ich empfehle keine Tragen. Warum? Weil jede Mama und jedes Kind andere Bedürfnisse haben.
Geachtet werden sollte darauf, dass der Steg verstellbar ist und so an die Größe des Kindes gut angepasst werden kann. Außerdem soll es bequem für Mama und Kind sein! Die ergonomische Position für das Kind soll gewährleistet werden. Natürlich ist ein weicherer Stoff besser, da er sich leichter an den runden Rücken des Babys anpassen kann.

Kleine Tragen-Begriffserklärung

Komforttrage– Fertig eingestellte Trage mit Hüftgurt, Schnallen und Trägern (z.B. Ergobaby, Manduca)

Fullbuckle– Schnallen an Hüftgurt und Trägern (z.B. Emei, Buzzidil Fidella)

HalfBuckle– Schnallen an Hüftgurt und Träger werden gebunden (z.B. Fräulein Hübsch, Bondolino)

MeiTai– rechteckiges Stück Stoff mit je zwei Bändern an Hüfte und Träger (z.B. Marsupi, MySol)

WrapConversion– ein MeiTai der komplett aus Tragetuchstoff besteht und zu binden ist (z.B. DidyTai, HopTye)

Onbuhimo– Schultergurt mit Schnallen ohne Hüftgurt (z.B. Fidella, Madame Jordan)

Podeagi– keine Schnallen, Kein Hüftgurt, Rückenteil ist um vieles länger und Schulterträger werden am Rückenteil unter dem Popo des Kindes gebunden (z.B. Kokadi, Huckepack)

Ab wann kann ein Baby getragen werden und bis zu welchem Alter?

Von Geburt an, solange es der Mama und dem Kind gefällt und gut tut! Ausgewählte Tragehilfen werden erst ab ein paar Monaten empfohlen.

Am Rücken wird dann getragen, sobald sich Mama und Papa drüber trauen. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass das der Zeitpunkt ist, wo das Baby eine eigene Kopfkontrolle hat und selbst sitzen kann. Dann fühlen sich die Eltern auch meistens bereit. Rückentragen empfehle ich gerne aus einem bestimmten Grund: Irgendwann wird dein Baby so schwer, dass das Tragen vor dem Bauch unangenehm werden kann, weil das Gewicht deine Schultern nach vorne zieht und der berühmte „Schwiegermutterbuckel“ begünstigt wird. Einen Rucksack am Rücken zu tragen ist mit höherem Gewicht angenehmer, als vor der Brust. Ein toller Ausgleich, den du für deinen Körper schaffen kannst. Außerdem, genießt dein Baby das Rückentragen bestimmt. Immerhin hat es so alles im Überblick und schaut mit dir in die gleiche Richtung. Die Umgebung wird mit steigender Mobilität deines Kindes immer interessanter.

Gibt es Babys, die gar nicht getragen werden sollen?

Die physiologische Haltung des Kindes wird beim Tragen in Tragehilfe oder Tuch positiv beeinflusst. Viele Kinderorthopäden und Ärzte haben bereits Kenntnis davon und sind ebenso überzeugt vom Tragen in Tuch und Tragehilfe.

Was muss ich als tragendes Elternteil beachten, wenn ich durch das Tragen öfter verspannt bin oder ein schweres Kind habe?

Trage dein Baby immer körpernah. Es soll kein hängender schlabbernder Rucksack sein! Ab einem gewissen Alter deines Kindes und wenn du dich bereit dazu fühlst, ist der Umstieg auf das Rückentragen eine tolle Sache.
Und natürlich – Ausgleichsübungen und Sport, Sport, Sport!

Tragen nach Kaiserschnitt. Was sind deine Erfahrungen?

Als Kaiserschnitt-Mama weiß ich, dass sowohl seelische als auch körperliche Narben ein gemütliches Tragen behindern können! Ich kenne den Druck beim Tragen auf der Narbe, der für mich am Anfang mehr Schmerz als Druck war. Ich habe die Tragen gewechselt, in der Hoffnung eine Passende zu finden. Es waren die Babytücher die mich gerettet haben.

Ich habe bei meinen Beratungen gemerkt, das bei Eltern, die eine traumatische Geburt hatten, besonders viel Gefühl mitgebracht werden muss und viele Alternativen gesucht werden. Nachdem ich selbst eine Kaiserschnittmama mit körperlicher und seelischer Narbe bin, weiß ich, wie es der Mama gegenüber geht. Ich versteife mich nicht darauf, dass eine Mama im Tuch tragen muss oder keine bestimmte Trage verwenden soll. Ich biete Alternativen an und bin dann nicht nur als Trageberaterin da, sondern auch als ICH, mit all meinen Tools die ich in meinem Köfferchen dabei habe.

Tragen kann und soll etwas angenehmes sein. Keine Mama soll sich gezwungen fühlen zu Tragen weil es der Trend wünscht.

Zum Abschluss, liebe Petra, sag uns die Vorteile des Tragens in drei Worten!

Nähe – Zwei freie Hände – Mobilität

Aber Achtung – hör auf deinen Körper, dein Kind wird es verstehen, wenn du mal keine Lust hast oder es dir zu schwer ist oder du schmerzen hat! Trage mit Bedacht für dich und dein Kind!

Lass dich nicht beirren wenn du dein Kind gerade nicht 100%tig richtig in Trage und Tuch sitzen hast. Stell diese Zeit in Relation zu der Tragezeit – wenn es gerade ruhig bei dir ist hast du schon gewonnen, nämlich Ruhe und Zeit und gibst deinem Kind Entspannung, weil du es auch selbst sein kannst dann!

About Petra

Petra ist Trageberaterin in Wien und hat schon vielen Eltern beim Tragen und Tragen lernen unterstützt. 2018 hat sie ihr eigenes nachhaltiges Label WienerLabel gegründet. Eines ihrer ersten Produkte war das wunderbare elastische Tragetuch „Werner“ und der Allrounder, das Tuch Karl – Schal, Kuscheldecke, Tasche, Sonnendach, … Schaut mal rüber zu ihr, sie hat noch viele andere schöne Produkte im Shop!

PETRA WIENERLABEL

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