Ursprünglich wollte ich heute über unser heißgeliebtes Lastenfahrrad schreiben. Dann habe ich auf Facebook den „Hilferuf“ einer Mama zum Thema Baby-Ernährung entdeckt. Und mein Bauchgefühl hat mir geraten, heute doch über das Bauchgefühl zu schreiben. Ich hör ja auf meinen Bauch …

Das Internet ist ein wahrer Quell des Wissens und des Blödsinns. Kürzlich lese ich interessiert, was es in Elterngruppen auf Facebook so Neues gibt. Eine besorgte Mama postet einen Link zum Thema Babybrei. Sie meint, sie habe jetzt ein total schlechtes Gewissen, weil sie ihrem neun Monate alten Kind bislang auch Brei gefüttert hat. Ich denke mir, was ist denn nun wieder schlecht an Babybrei? Es geht ja nicht einmal um das sensible Thema Gläschen oder selbst gekocht. Kurz: es geht eigentlich darum, dass BLW die bevorzugte Methode des Heranführens an feste Nahrung sein sollte. So weit, so gut. Das mag man nun für sich und sein Kind geeignet finden oder auch nicht. Meine Kinder durften übrigens beides essen: Brei und Bananenstückchen. Warum ist die Mutter also besorgt?

Babys hingegen, die Babybreie erhalten und mit dem Löffel gefüttert werden, sollen im späteren Leben eher auf Süssigkeiten stehen und sich ausserdem mit höherer Wahrscheinlichkeit zu Pummelchen entwickeln.

… steht in diesem Beitrag. Und genau so macht man Eltern ein schlechtes Gewissen. Diese Mama hat sich wohl gedacht: „Hilfe, mein Kind wird mal ein Pummelchen und es ist meine Schuld!“

Die Sache mit dem schlechten Gewissen

Das Internet und andere Mütter machen es uns nicht gerade leicht. Man bekommt ein schlechtes Gewissen suggeriert wegen diesem und jenem und überhaupt allem. „Was, ihr gebt euren Kindern nicht ausschließlich Bioprodukte? Sie essen Zucker? Wirklich? Ihr wisst doch, wie das mit dem Karies ist. Ihr solltet wirklich nur zuckerfrei kochen und backen, sie bekommen sonst Karies. Apropos Karies. Ihr verwendet doch eine Zahnpasta ohne Fluorid, oder? Oder doch mit?“
Und natürlich geht auch nur Naturkosmetik (ok, ich verwende auch Naturkosmetik – erwischt). Diese Billig-Eigenmarken diverser Ketten gehen ja nun wohl gar nicht. Was da alles drin ist (und nein, das ist nicht meine generelle Meinung). Eure Kinder werden schon mit zehn Jahren an diversen Vergiftungserscheinungen erkranken. Deshalb ist natürlich auch selbstgemachte Sonnencreme am besten, auch wenn der Lichtschutzfaktor dann etwas bescheiden ausfällt. Achtung – Sprung zur Erziehung und Förderung: eine normale Spielgruppe ist übrigens wirklich Mist. Wenn, dann müsst ihr schon eine fremdsprachige auswählen (wegen der Frühförderung) oder doch besser gleich Montessori UND fremdspachig, am besten mit maximal einer 1:2 Betreuung, koste es was es wolle. Und öffentlich, puh, das ist ja furchtbar – beim Kindergarten nämlich. Nur in privaten Kindergärten gibt es wirklich einen Mehrwert für das Kind und man hält all jene Eltern (und deren Kinder) vom Nachwuchs fern, die sich das nicht leisten können. Oder wollen. Aber die sind dann selbst schuld, wenn sie ihren Kindern nicht das beste geben möchten, das sie können. Und so weiter und so fort. Ihr merkt schon, ich übertreibe maßlos. Aber mir war wirklich gerade danach.

Hört auf euer Bauchgefühl!

Aber wie soll man sich gegen diese Übermacht der anderen Meinungen und Ratschläge wehren? Manchmal habe ich das Gefühl uns Müttern ist das Bauchgefühl abhanden Bauchgefühl Erziehung Intuitiongekommen, auf das wir uns in den meisten Fällen auch wirklich verlassen können. Natürlich holt man sich als Mama vor allem zu Beginn viele Tipps von anderen. Man lernt jeden Tag neues. Aber ich bin dafür das, was wir tun mit Überzeugung zu tun. Ein schlechtes Gewissen sollte uns im Nachhinein nicht plagen.
Es ist natürlich ein gesellschaftliches Phänomen, dass wir uns mehr mit der Aufzucht unserer Kinder beschäftigen als Generationen vor uns. Früher hatten Eltern dafür einerseits weniger Zeit und andererseits hat es deutlich weniger öffentlich zugängliche wissenschaftliche Studien zur Erziehung oder Ernährung gegeben. Oder sie waren einfach häufiger zum Vorteil für das jeweilige Unternehmen ausgelegt. Als Beispiel fällt mir da unsinnigerweise die Zigarette ein. Als Tabakkonzerne im letzten Jahrhundert die Idee hatten, die unchicen Zigaretten in die Salons der feinen amerikanischen Gesellschaft einzuführen geschah folgendes: es wurden von den Tabakkonzernen Studien beauftragt, wie gesund und verdauungsfördernd Zigaretten sind, man schenkte ihnen natürlich Glauben (weil medizinische Studien) und schwupps, waren Zigaretten bei Männern und Frauen der feineren Gesellschaft en vogue. *
Zurück zu uns Müttern. Als ob meine Oma sich Gedanken darüber gemacht hätte, wie viel Zucker im Twinni enthalten war. Und ich habe viel Twinni gegessen. Dafür hat sie aber auch immer frisch für uns gekocht. Ich wurde gestillt, aber nicht übermäßig lange, ich habe Brei bekommen und hatte Pampers am Popsch. Und heute bin ich weder dick noch sind andere Langzeitschäden oder Spätfolgen erkennbar. Mit 35 hätten diese ja vielleicht schon zutage treten können. Ich glaube auch kaum, dass meine Mutter ein schlechtes Gewissen hat wegen irgendwelcher der genannten Dinge. Sie war die beste Mama, die sie sein konnte. Sie hat sich nicht mit Erziehungstheorien beschäftigt, Jesper Juul kam schließlich erst viel später.
Ich will damit nicht sagen, dass es schlecht ist, sich zu informieren. Das mache ich auch gerne, Pädagogik ist schließich ein spannendes wissenschaftliches Feld. Aber bitte lasst euch kein schlechtes Gewissen machen, wenn ihr eine Studie findet, die eurem Handeln 1:1 widerspricht (Gewalthandlungen und Fahrlässigkeit mal ausgenommen). Lasst euch nicht dreinquatschen, wenn es um den Fernsehkonsum eurer Kinder geht oder die zuckersüße Sachertorte zum Geburtstag, auf der nicht „vegan“ und „zuckerfrei“ drauf steht. Geht zu Impfungen, wenn ihr es für richtig haltet und kauft Plastikwindeln oder eben welche aus Stoff. Es liegt in eurer Verantwortung und nicht in der anderer Mütter.
So, that’s it. Das wollte ich mir heute von der Seele schreiben. Meistens machen wir Mütter intuitiv alles richtig. Für die wenigen anderen Fälle haben Kinder ziemlich aktive Schutzengel. Die müssen sowieso üben, damit aus ihnen verantwortungsvolle Erwachsene werden können.
*Falls mich jetzt jemand nach Quellen fragt: ich weiß nicht mehr, aus welchem Paper ich das habe. Es kam in einer Marketing-Übung an der Uni als Beispiel und manchmal merke ich mir eben völlig unnützes Zeug.