In letzter Zeit türmen sich bei mir neben meinem Stadtmama WordPress Fenster unzählige offene Browserfenster mit Artikeln zum Thema Karrier & Kind. Offensichtlich fühlt sich aktuell jeder dazu gezwungen, seinen Senf dazu abzugeben, egal ob es ihn oder sie tatsächlich betrifft oder nicht. Und irgendwie kommt man dann nicht drum herum, sich auch Gedanken darüber zu machen …
Die Frage aller Fragen: Ist Karriere und Kind möglich?
Wenn ja, unter welchen Bedingungen. Oder muss man quasi auf Karriere verzichten, wenn man Kinder möchte? Ich finde es bei den meisten Artikeln sehr spannend, welche Positionen andere Mütter oder Eltern dazu einnehmen: nämlich VOR dem Kind und DANACH (also nach der Geburt). Dem allgemeinen Tenor, dass beides nicht machbar ist, hält nämlich vor allem die Gruppe der selbstständigen Mütter eines entgegen: Arbeitsbereiche und Projekte, die VOR dem Nachwuchs nie ins Leben gerufen worden wären. Selbstständigkeit scheint überhaupt das um und auf zu sein, wenn man sich nach der Geburt verwirklichen möchte. Aber woran liegt es? Oder ist auch das nur eine große Lüge, die uns aufgetischt wird?Also Augen zu und rein in den Gedankensturm:
1. Karriere ist sowieso Definitionssache.
Was ist schon Karriere? Eine Arbeit, die dich glücklich macht, viel Geld, gute Verbindungen, eine gehobene Position in der Firma? Karriere bedeutet in meinen Augen für jede Frau etwas anderes, je nach Ausbildung und Jobverhältnis vor den Kindern. Wer davor eine Führungsposition hatte, dem wird per se die Entscheidung für Kinder und für eine ausführliche Karenzzeit schwerer fallen. Mama sein ist einfach eine andere Art der Beschäftigung als Management-Sitzungen und Krisenbesprechungen und auf Dauer wird einem vermutlich der intellektuelle Anspruch fehlen. Oder auch nicht. Denn Untersuchungen haben ergeben, dass sich die Einstellung von Müttern zu ihrer Arbeit nach der Geburt oft drastisch ändert. Da fällt es der Managerin plötzlich schwer, sich wie geplant nach maximal einem Jahr nach der Geburt wieder in ihr graues Büro zu setzten. Und die engagierte Anwältin möchte sich nicht mehr 60 Stunden die Woche mit den Problemen anderer Leute rumschlagen. Warum? Weil sich der Lebensmittelpunkt verschoben hat.
Sich um sein Kind zu kümmern ist vielen Frauen dann plötzlich doch wichtiger, als so rasch wie möglich in den Beruf zurückzukehren. Und zwar auch jenen Frauen, von denen man es nicht vermutet hätte. Oft auch jene, die ihre Karriere einfach vor dem Kind „eingeschoben“ haben. Ja liebe Arbeitgeber, es gibt tatsächlich Frauen, die auf die unpassende Frage beim Vorstellungsgespräch:“Wünschen sie sich in nächster Zeit Kinder?“, beinhart lügen. Und ganz ehrlich: Warum soll das nicht jede für sich entscheiden. Vor allem gut ausgebildeten Frauen ist klar, wie schwer die Rückkehr in den Beruf wird, je länger die Arbeitspause ist. Denn sie sind diejenigen, die dazu vermutlich sogar Recherchen anstellen und Statistiken befragen, bevor sie auf ihr Bauchgefühl hören. Aber gerade sie haben es sich vermutlich gut überlegt. Warum ihnen also etwas einreden, was sie gar nicht wollen?
2. Muss man Karriere machen, um glücklich zu sein?
Nein, das glaube ich nicht. Karriere bedeutet nicht gleichzeitig Glück. Schaut mal im Duden nach. Manche Menschen mögen Karriere zum Glück brauchen, andere wiederum nicht. Sieht man von (alleinerziehenden) Müttern und Vätern ab, die aufgrund des Familienbudgets dazu gezwungen sind, ihre Kinder gleich nach der Karenz in einer Ganztagskrippe unterzubringen, kann ich mir nicht vorstellen, dass die Belastung von Vollzeitjob & Kind(ern) beider Eltern irgendjemanden glücklich macht. Abgesehen davon: Wer aus finanziellen Gründen Vollzeit arbeiten gehen muss, wird sich meist auch kaum Gedanken zum Thema „Kind oder Karriere“ machen, denn hier geht es um Lebenserhaltung und nicht um Selbstverwirklichung.
3.“Mit einem ‚Popsch‘ auf zwei Kirtagen“: Nein, danke!
Ich glaube übrigens, man kann einfach nicht zwei Dinge in Vollzeit nebeneinander in gleicher Qualität erledigen. Karriere bedeutet viel Arbeit und häufig auch kompromisslosen Einsatz für die Firma. Kinder auch. Beides meist mehr als 40 Stunden die Woche. Will man wirklich für seine Kinder da sein, geht beides mit diesem Stundenaufwand einfach nicht. Ich halte Karriere im Sinne von Aufstieg in leitende und verantwortungsvolle Positionen, die fast immer einen Mehr-Als-Vollzeit-Job voraussetzen nach dem Kind für fast nicht machbar. Sicher ist das auch ein Grund, warum statistisch gesehen vor allem gut ausgebildete Frauen sehr spät Kinder bekommen. Zuerst Karriere, dann Kind(er). Vermutlich hängt das teilweise nicht einmal mit dem Selbstverwirklichungszwang zusammen, sondern damit, dass ein gutes Einkommen und ein sicherer Job vor der Karenz Frau mehr Sicherheit gibt, wie es danach weitergehen könnte.
4. Kind oder Karriere: „Jetzt musst du dich entscheiden“
Eigentlich absurd. Und nun frage ich mich, warum mittels Medialisierung viele Frauen in so eine Entscheidung getrieben werden. Ein gebildeter Mensch wir alles daran setzten, sich auch während der Arbeitspause weiterzubilden und am Ball zu bleiben, um zum gewünschten Zeitpunkt wieder einen Job finden zu können. Allein aus Interesse am eigenen Berufsfeld liest man doch oft facheinschlägige Artikel und informiert sich freiwillig. So eine Frau wird wohl durch eine Arbeitspause zwecks Kindererziehung kaum unbrauchbar für den qualifizierten Arbeitsmarkt werden. Und was Fehlzeiten wegen kranker Kinder angeht: ja, das kann passieren. Aber wir sind alle Menschen. Jeder, der seinen Job gerne macht, wird so etwas nicht ausnutzen, sondern nur in Anspruch nehmen, wenn es wirklich notwendig ist.
5. Und wo bleiben die Männer?
Ja, richtig. Männer werden bei dieser Diskussion oft übergangen. Auch im Hause List läuft es wie folgt ab: Ich bin für die Kinderbetreuung und ein wenig Zusatzeinkommen zuständig, Herr L. für den Hauptteil des Haushaltseinkommens. Und solange sich das gut ausgeht, ist das für mich auch völlig in Ordnung so. Äh, nein, ich fühle mich nicht intellektuell unterfordert oder gar als Hausmütterchen. Abgesehen davon, dass ich gerne Zeit mit dem Fräulein Tochter verbringe, ist diese Aufteilung auch eine Notwendigkeit. Denn Fakt ist: Von meinem Gehalt hätten wir nicht lange überleben können.
Das Problem liegt also nicht nur darin, dass Männer es sich auch heute beruflich nicht unbedingt leisten wollen, länger in Karenz zu gehen, sondern dass es aufgrund des oft sehr viel niedrigeren Einkommens der Partnerin vielleicht keinen Sinn macht. Richtig ist natürlich, dass die faire Aufteilung der Kinderbetreuungszeit zwischen beiden Partnern gefördert gehört. Und Elternteilzeit ist ein tolles Modell für beide Ehepartner. Aber nicht jeder hat am Gehaltszettel eine ausreichend hohe Summe stehen, um seine Ausgaben mit insgesamt nur einem Gehalt gut decken zu können. Abgesehen davon können mir das sicher viele in Teilzeit arbeitende Mütter unterschreiben: Teilzeitarbeit ist bei gleicher Qualifikation häufig schlechter bezahlt als Vollzeit. Vielleicht ist das einmal eine Überlegung wert … Ich rede nicht davon, dass man sich Luxusgüter gönnen möchte oder mehrerer Urlaube im Jahr (wobei, wäre nicht schlecht …). Aber eine gewisse Lebensqualität möchte man nicht missen, oder?
6. Fazit
Es gäbe noch so viel zu sagen zum Thema. Aber so lange Blogposts liest man dann wiederum nicht mehr zu Ende. Ich bezweifle, dass sich an der Mann/Frau Verteilung bei der Kinderbetreuung in den nächsten Jahren viel ändern wird. Denn allen Karrierewünschen zum Trotz spielen bei Frauen auch die Hormone und das Bauchgefühl eine wichtige Rolle bei solchen Entscheidungen. Und wenn finanzielle Sicherheiten gegeben sind, sagt das Bauchgefühl oft etwas anderes, als die Gesellschaft einem auferlegen möchte.
Zuletzt sei abgesehen von Karriere noch eines zum Thema Kinderbetreuung gesagt: Geschockt hat mich die Tatsache, dass in manchen österreichischen Bundesländern (z.B. Oberösterreich) für nur rund 10 Prozent aller Kinder unter drei Jahren Betreuungsplätze zur Verfügung stehen. In Wien können wenigstens 17 Prozent betreut werden. Immer noch zu wenig, denn auch für einen Teilzeitjob braucht man einen Kinderbetreuungsplatz. Schön ist aber, dass in Wien viele Kinderbetreuungsplätze voll gefördert werden. Das nimmt zumindest einen Teil der finanziellen Belastung von den Schultern der Eltern mit geringerem Einkommen. Trotzdem sprießen Kindergruppen aus dem Boden, die den Eltern das Geld regelrecht aus der Tasche ziehen. Manche davon von zweifelhafter Qualität. Aber da der Bedarf vorhanden ist, … na ja, viele von euch kennen solche Geschichten vielleicht. Für viele Eltern ist der Kindergarten erst der Anfang des Betreuungsproblems. Was macht man in der Volksschule oder später in der Unterstufe. Es gibt zu wenige Hortplätze und in die Entwicklung und Umsetzung der Ganztagsschule wurde zugunsten des tollen Projektes „Neue Mittelschule“ ja nicht mehr besonders viel Zeit und Geld investiert… aber Kinderbetreuung ist ein anderes Thema, mein Stift ist schon zur Recherche gezückt … 😉