Endlich bin ich dazugekommen, in der ORF TVTHEK die Schauplatz Doku von letzter Woche nachzusehen: „Schule fürs Leben – Die Chancen„. Und ich muss sagen: ich bin ein wenig schockiert. Nicht, dass mir dadurch so viel Neues enthüllt worden wäre. Die meisten Fakten sind ein alter Hut, was wohl auch ein Grund für das fast übertriebene Engagement vieler Eltern ist, wenn es um die Schulkarrieren ihrer Kinder geht. Vor allem eines hat mich aber sehr daran geärgert und gestört: Die offensichtlich recht einseitige Berichterstattung des ORF.
Private vs. öffentliche Einrichtungen: verzerrte Welten
Was ich nun eigentlich störend an der Doku finde und was mir sauer aufstößt, ist nicht das Thema „öffentlich vs. privat“ oder die eindeutige Darstellung der sowohl gesellschaftlichen als auch bildungstechnischen Vorteile von privaten gegenüber öffentlichen Bildungsstätten. Das ist einfach ein Umstand, der sowieso längstens bekannt ist. Aber: Nach dieser Doku wird bestimmt niemand mehr seine Kinder in eine öffentliche Einrichtung schicken wollen. Es entsteht hier in meinen Augen nämlich der starke Eindruck, öffentliche Schulen und Kindergärten wären sowieso nur Schrott, von Ausländern überrannt, die kein Deutsch sprechen und die Jugendlichen hätten dort letztlich nicht einmal annähernd eine Chance auf eine Lehrstelle nach ihrem Abschluss.
Es drängt sich sogar die Meinung regelrecht auf, dass eigentlich die einzige Option für einen erfolgreichen Schulwerdegang beim privaten Kindergarten oder einer Kindergruppe beginnt und im privaten Gymnasium endet – so man es sich leisten kann. Dabei hängt es doch von so vielen Faktoren ab, wie gut oder schlecht ein Kindergarten oder eine Schule ist. Egal ob öffentlich oder privat… Harter Tobak für Eltern ist dabei in meinen Augen die Aussage, dass sogar in öffentlichen Gymnasien Kinder aus privaten Volksschulen bevorzugt werden.
Her mit mehr gut ausgebildeten PädaogInnen!
Mir ist natürlich klar, dass es in einer Stadt immer Brennpunktschulen gibt und geben wird. Ich kann ebenso verstehen, dass ein hoher Migrantenanteil österreichische Eltern abschreckt. Dass man für den Nachwuchs nur das Beste will, ist für jede Mutter verständlich. Aber: Das ist ebenso logisch wie die Tatsache, dass eine Volksschullehrerin in einer Klasse mit hundert Prozent Ausländeranteil anmerkt, dass bereit rund 50 Prozent muttersprachlich deutsche Kinder sehr förderlich für die Sprachentwicklung aller anderen wären. Ebenso, wie eine zweite Lehrerin in der Klasse schon viel Gutes tun könnte. Wie kann es eigentlich dazu kommen, frage ich mich. Wer hat unser System so schlecht gemacht, dass niemand mehr seine Kinder in öffentliche Schulen stecken möchte und es sich scheinbar wirklich in der steilen Talfahrt befindet? Prinzipiell bin ich nämlich der Meinung: Eine Schule und auch ein Kindergarten ist immer nur so gut oder schlecht wie die Pädagogen in ihr und die zur Verfügung stehenden Mittel. Gibt es zu wenige gut vorbereitete Pädagogen und nicht ausreichend Mittel, haben wir den Salat. Gerade hier sollte nicht gespart werden. Das können sich halt oft eher private Schulen leisten, welche schlicht und einfach mehr Mittel zur Verfügung haben. Denn wer Schulgeld einhebt, hat zusätzlich zu dem, was der Staat zuschießt einfach mehr Geld zur Verfügung. Schade eigentlich, wenn die Qualität unserer Bildungsstätten gemeinhin über die Höhe des Schulgeldes definiert wird und nicht über die Bildung und pädagogische Arbeit, die in ihnen statt findet.

Unzählige Gemeindekindergärten in Wien, aber zu wenige entsprechend ausgebildete PädagogInnen für den Ausbau… (Quelle: Screenshot wien.gv.at Standortsuche)
Plädoyer für UNSEREN Gemeindekindergarten
Es beißt sich bei uns ja leider die Katze in den Schwanz. Oona besucht derzeit die Kleinkinderkrippe eines Gemeindekindergartens. Glücklicher könnte sie wohl in keinem anderen Kindergarten sein. Sie machen jeden Tag andere spannende Sachen. Die Kids spielen, malen, tanzen und singen, gehen so oft es geht in den Garten, dürfen sich auch dreckig machen und ich bekomme viel Feedback dazu, was in der Gruppe passiert oder wie es Oona geht. Offensichtlich ein Verdienst der Betreuerinnen und vermutlich auch der guten Kindergartenleitung. Der krasse Gegensatz dazu war die private und recht teure Kindergruppe in der Oona davor war. Garten: Nein. Spielplatz: ja, ab und zu. Und was haben sie heute gemacht: äääähm … . Pädagigosche Kenntnisse der Betreuerin: äääääähm, was ist Pädagogik? Ich bin nur hier, um auf meine nächste Pause zu warten.
Bei uns hat die private Kindergruppe also den Vergleich definitiv verloren. Und ich bin seither der Meinung, dass man hier genau hinsehen sollte. In meinen Augen schafft die enorme Nachfrage nach Kinderbetreuungsplätzen ein Angebot, welches manchmal sehr zweifelhaft ist. Zusätzlich habe ich das Gefühl, dass in unserem Gemeindekindergarten die PädagogInnen wesentlich sorgfältiger ausgesucht wurden als in der privaten Kindergruppe. Vom nahezu doppelt so hohen Betreuungsschlüssel und der Qualifiktion sowie Anzahl der Betreuungspersonen mit Berufserfahrung einmal ganz abgesehen.
Wie wäre es mit mehr Kindergartenplätzen für Migrantenkinder?
Natürlich gibt es auch in unserem Kindergarten Kinder mit einer anderen Muttersprache als Deutsch. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass das mein Kind irgendwie negativ beeinflusst. Die Gruppe ist gut durchgemischt und auch wenn einige Kinder mit dem Sprechen vielleicht später dran sind (was für zweisprachig aufwachsende übrigens nachweislich völlig normal ist), sprechen mittlerweile alle gut Deutsch. Die Sache ist halt die: mit zwei bis vier Jahren haben schlecht oder gar nicht Deutsch sprechende Kinder noch alle Chancen, eine zweite Sprache perfekt zu lernen und es wird für sie keine Nachteil entstehen. Gibt es aber in Wien (und im Rest Österreichs) nicht genug Betreuungsplätze für so junge Kinder, wo sollen sie es lernen? Mit fünf Jahren, sobald ihnen der Kindergartenplatz dann rechtlich zusteht, legen sie auch keinen Raketenstart in Sachen Deutschkenntnisse mehr hin. Es ist natürlich schön, dass es rechtlich gesehen die Pflicht der Eltern ist, ihren Kindern bis Schuleintritt unsere Landesprache fließend beizubringen, aber genauso ist es eine fatale Illusion, dass das wirklich in allen Fällen umsetzbar ist. Dreht den Spieß um und versucht euren Kids bis Schuleintritt SELBST Chinesisch oder Russisch beizubringen. Ihr werdet vermutlich aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse ebenso kläglich scheitern …
Wenn der Dackel im Kreis rennt um seinen Schwanz zu fangen …
Leider dreht man sich mit dem Ruf nach mehr Kindergartenplätzen vor allem für Migrantenkinder im Kreis. Einen Platz im Gemeindekindergarten bekommt man häufig nur mit Arbeitsbestätigung beider Elternteile. Hier kommen die Kleinen also oft leider erst unter, wenn sie ins verpflichtende letzte Kindergartenjahr kommen. Private Einrichtungen, egal ob voll gefördert oder voll zu zahlen, sind wiederum aufgrund der allgemeinen öffentlichen Meinung bezüglich hoher Ausländeranteile sicherlich bestrebt, ebendiesen niedrig zu halten. Da sie sich ihre Kinder eigentlich immer aussuchen können, ein leichtes Spiel. Wie soll es also gehen, dass die in der Doku viel zitierten türkischen Familien ihre Kinder schon früh in den Kindergarten schicken, um bis zum Schuleintritt einwandfrei Deutsch zu lernen? Wo das Problem liegt, wissen wir ja schon längst, also warum schafft man es nicht, etwas dagegen oder besser DAFÜR zu tun. Man müsste nur ein bisschen Geld in die Hand nehmen und in die Zukunft unserer nächsten Generation zu investieren. Aus motivierten Kindern werden üblicherweise auch einmal motiviertere Erwachsene. Denn wer gut ausgebildet und qualifiziert ist, ist statistisch gesehen auch viel zufriedener mit seiner Arbeit und seinem Leben..
[…] bin frustriert. Wieder einmal. Aber nicht, weil unser Kindergarten schlecht ist. Ganz im Gegenteil. Wir lieben unseren Kindergarten. Die Pädagoginnen sind toll. Der Kindergarten hat alles zu bieten, was man sich als Eltern nur […]
Hallo Judith,
bin durch Zufall auf deinen Block gestoßen! Wenn die Bildungseinrichtugen in Wien vergleiche möchtest, dann bitte ich Dich, Kindergruppe in diesen Zusammenhang nicht zu erwähnen, da sie keine anerkannten Bildungseinrichtungen sind.
LG
Lieber Marcus,
ich bin den Beitrag nun noch einmal durchgegangen, um das zu kontrollieren, weil ich ihn schon vor so langer Zeit geschrieben habe… Ich glaube, ich bezeichne Kindergruppen darin auch nicht als Bildungseinrichtungen. Die erwähnte Kindergruppe habe ich nur als Vergleich herangezogen, dass ich das Bashing öffentlicher Einrichtung nicht verstehen kann, weil sie eindeutig besser sind als ihr Ruf und oft sogar aufgrund strenger Vorschriften oftmals besser ausgestattet als private Einrichtungen. Prinzipiell bin ich übrigens auch nicht dafür, Kindergärten als Bildungseinrichtungen zu bezeichnen (auch wenn sie es natürlich sind). Das liegt aber daran, dass ich glaube, Kinder müssen in dem Alter nicht dermaßen intensiv und aktiv gefördert (in meiner Definition „angeschoben“) werden, wie sich das Eltern gerne vorstellen, um etwas zu erlernen. (genauso wenig, wie man sie auf zwei Beine stellen und festhalten muß, damit sie irgendwann mal gehen….) Einfach, weil sie es ganz alleine tun (meine Erfahrung und ich denke, es gibt nicht umsonst viele Montessori-Schulen, in denen das Konzept sehr gut funktioniert). Diese Formulierung war zu dem Zeitpunkt dieses Beitrages bei mir noch nicht so klar ausgeprägt. Mein Verständnis davon hat sich erst mir dem größer werden meiner Kinder entwickelt.
Wenn Kindergruppen hier als Bildungseinrichtungen rüberkommen, tut es mir leid. Ich habe keine Formulierung gefunden, die ich ausbessern könnte, um diesen Eindruck nicht mehr zu erwecken.
Liebe Grüße,
Judith