„Moment, vielleicht, warte, gleich habe ich Zeit!“ Wie oft sage ich das am Tag? Unzählige Male und manchmal nervt es mich selbst. Und die Kinder. Denn die wollen mir eigentlich nur genauso kurz etwas sagen wie ich kurz etwas fertig machen möchte. Über ein geläufiges Missverständnis in der Kommunikation und wie ich damit umgehen gelernt habe.
„Mama!“
„Ja? Nein, geht gerade nicht, warte mal.“
„Mama!“
„Ja, Moment.“
„Mamaaaaaa!“
„Lass mich doch bitte fertig machen!“
„Mamaaaaaaaaaa! Jetzt!“
So und nicht anders lief das schon manchmal. Was heißt manchmal. Oft. Und irgendwann ist es mir selbst auf den Geist gegangen und ich habe mir Gedanken dazu gemacht. Ich hatte die Schnauze voll, aber nicht von den Kindern sondern von mir selbst.
Gleich, vielleicht, warte, …
Würde es euch nicht auch ungeduldig machen, wenn euch jemand dauernd vertröstet? Gleich, vielleicht, warte einen Moment. Vermutlich können wir nicht mal mehr an einer Hand abzählen, wie oft wir diese Worte am Tag in den Mund nehmen. Und dann sind wir genervt, weil unsere Kinder uns x Mal versuchen ins Wort zu fallen, obwohl wir eine Aktion noch nicht fertig ausgeführt haben. Und sie sind genervt, weil wir ihnen nicht die Aufmerksamkeit schenken, die sie gerade brauchen oder weil sie uns einfach nur etwas sagen wollen. Wir sind aber schon so genervt, das wir gerade gar nichts mehr hören wollen, sondern einfach nur mal den Löffel ablegen, aufs Klo gehen oder uns hinsetzen.
Ich habe dieses Verhalten schon so oft an mir beobachtet. An manchen Nachmittagen kommt alle zwei Minuten ein „Mama, kannst du mal …!“ Und ja, alle zwei Minuten kann ich nicht schauen, kommen, machen. Also manchmal schon, aber nicht immer. Ich könnte mich auch einfach stundenlang neben sie setzen und sie wären zufrieden, aber in welcher realen Welt geht das täglich und immer.
Manchmal geschehen dann Dinge, die in unseren Augen reinste Provokation sind. Das kleine Fräulein zieht ihrer kleinen Schwester einfach aus heiterem Himmel einen Polster über den Kopf, sie wirft etwas hinunter, klettert hinauf, wo sie nichts zu suchen hat oder verschüttet einfach so ein Glas Saft. „Mama, ich will Aufmerksamkeit. JETZT!“
Wut-Management: STOP! Bitte Ausatmen.
Erstmal durchatmen. Ja, sie hat recht. Ich habe nach dem Geschirrspüler aufräumen noch eine halbe verschüttete Reisschachtel am Boden entdeckt und die noch schnell weggesaugt. Danach blitzt mich unter dem Tisch ein Haufen Papierschnippsel an, der soll auch noch weg. ich habe mich in meiner Tätigkeit verloren, eine anderen angehängt und war schon am Sprung zur nächsten. Aus dem gleich ist ein später geworden, aus dem später ein noch später. Ich bin selbst schuld, dass sie so ungeduldig ist und trotzdem macht es mich wahnsinnig.
Erstmal kurz inne halten, bevor ihr etwas tut oder sagt, das ihr nachher bereut! Es ist ein Teufelskreis. Ihr seid wütend, weil ihr das Gefühl habt, die Kinder wollen euch nur nerven, die Kinder sind wütend, weil sie nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verlangen. Also einmal kurz die Augen zumachen und durchatmen. Seid ihr wütend, legt den Schwerpunkt auf die Ausatmung. Verstärktes Ausatmen spült negative Energien aus eurem Körper hinaus (da spricht die Yogamama). Am besten also mehrmals hintereinander gezielt ausatmen, spüren, wie die Wut so entweicht und dann erst die Aufmerksamkeit auf die Situation richten und reagieren.
Schreien bringt nichts. Gar nichts.
Oh Gott, ich habe schon mal laut geschrien. Und wie. Die Große hat der Kleinen einmal ein Holzspielzeug über den Kopf gezogen. Puh, da war ich quasi „instant-laut“ und das hatte auch noch ein ernsthaftes Gespräch zur Folge als mein Zorn verflogen war. Oder als ein halbminütliches „Mama, Mama, Mama“ gleich einer Sequenz aus einem Psycho-Thriller auf mich eingeprasselt ist. Am Abend war ich fix und fertig und hatte einen Mama-Tinnitus. Ich habe die beiden lautstark angemotzt, sie sollen mich doch bitte endlich für eine Minute in Ruhe lassen, mein Kopf explodiert gleich. Komisch, es hat trotzdem funktioniert, obwohl ich es im nachhinein gesehen als die falsche Reaktion ansehe. Sie haben eine halbe Stunde gespielt und mich dann gefragt, ob ich beim Theater zusehen will.
Aber meistens bringt Schreien eben so gar nichts, außer mal schnell Luft abzulassen. Die Reaktion: nicht mal ein verdutztes Gesicht, sondern eher ein „Schreien kann mir gar nichts…“-Verhalten und weiter wie gehabt.
Kinder wollen euch nicht ärgern, sie wollen euch etwas sagen!
Vorbeugen. Zeit geben. Wenig einplanen.
Meistens passieren solche Situationen an Tagen, wenn ich mir zu viele ToDo’s für den Nachmittag aufspare, den ich eigentlich normalerweise mit den Kindern verbringe. Das Verständnis, dass gerade jetzt der Geschirrspüler ausgeräumt gehört oder die Wäsche abgenommen werden soll ist bei meinen zwei Mädels sehr gering. Noch etwas neben den Kindern erledigen ist in Ordnung, aber in Maßen. Sie freuen sich auch auf die Zeit mit mir, vor allem, wenn sie Vormittags im Kindergarten sind. Der Nachteil ist natürlich, dass sich auch bei mir Hausarbeit dadurch oft in die Abendstunden verschiebt, der Vorteil dafür, dass ich den Kindern am Nachmittag mehr Zeit schenken kann.
Manchmal wollen sie ja sogar helfen, man muß nur fragen. Geschirrspüler ausräumen? Läuft. Wäsche nach Farben sortieren? Check. Und dann Zeit schenken. Zuhören, was sie mir sagen oder zeigen wollen. Auf ihre Bedürfnisse fokussieren. Gemeinsam malen. Manchmal darf ich sogar mein eigenes Malbuch benutzen. Ich kann immer noch nicht jedes Mal in der Sekunde schauen oder machen, wenn sie das wollen, aber immer öfter. Und manchmal eben auch nicht. Aber in den letzten Wochen haben sie gelernt zu verstehen, dass „gleich, ich räume nur das hier fertig weg“ auch genau das ist und ich danach Zeit habe. „Mama, bist du fertig? Komm mal!“ Ja, mach ich. Gerne.
Seit ich Mama bin beschäftige ich mich mit Gefühlen und Situationen, an die ich früher keinen Gedanken verschwendet hätte. Wut, Verzweiflung, Erschöpfung. Und manchmal spielt alles zusammen. Gelegentlich denke ich, so ein Kinder-Vorbereitungskurs wäre für werdende Eltern gar nicht so schlecht, obwohl man natürlich sowieso nie weiß, wie es kommt. Hier darüber zu schreiben und meine Gedanken zu verarbeiten hilft mir oft, mit der Situation umzugehen, sie zu ordnen und Lösungen zu finden. Deshalb möchte ich hier heute an dieser Stelle meinen Dank an euch weitergeben, dass ihr am Blog oder auf Facebook kommentiert und eure Gedanken mit mir (uns) teilt. Der Austausch hat mir schon oft weiter geholfen!
Dieses „Gleich Schatz“ oder „Sofort, ich mach nur kurz…“ ist echt mühsam. Ich erwische mich so oft dabei, obwohl unsere Kinder das Wichtigste sind. Dann ist man gefangen in diesem „Aber ich muss doch aufräumen!“ und „Mit ihr zu spielen und für sie da zu sein ist das, was wirklich zählt.“ Und es ist nicht leicht. Deine Beobachtung, dass schwierige Situationen vor allem an sehr vollgepackten Tagen entstehen, muss ich beobachten. Ich werde berichten! 😉
Ich bin gespannt. Bei mir ist es egentlich immer so. Wobei vollgepackt in dem Fall bei uns meist zu Hause vollgepackt bedeutet (und nicht mit Terminen unterwegs). Also x Dinge im Haushalt oder am Schreibtisch erledigen zu wollen …
Was mir hilft, ist es achtsam mit mir selbst zu sein. Warum ist es mir so wichtig, dass ich das jetzt gerade zu Ende bringe? Was würde passieren, wenn ich es einfach unterbreche? Und dann: Annehmen und Loslassen…
Häufig will mein Sohn mir ja nur kurz etwas zeigen, was er gerade macht. Ich wende mich ihm zu, Frage ihn, was er möchte, überlege mit ihm, wie lange das wohl dauert, ob es auch später noch in Ordnung ist, ob wir meins erst beenden können…
Er hat mich das gelehrt: als aus einem „später“ mal ein „nie“ würde, einfach weil er sich nicht so lange merken konnte, was er mir in diesem Moment erzählen wollte. Diese tiefe Traurigkeit, Dieser Moment in dem für ihn eine Welt zusammengebrochen ist, „einfach“, weil er etwas vergessen hatte – das wollte ich ihm nie wieder antun…
Die vielen gleichs und späters führen unweigerlich in eine Spirale, in der sich so viel Frust und Diskussion sammelt, die am Ende ja eh nur sinnlos verschenkte Zeit und jede Menge Schuldgefühle hinterlässt.
Mittlerweile ist noch ein kleines Baby dazu gekommen und er ist in der Lage, ein Gleich oder Später schmerzfrei zu akzeptieren und abwarten zu können, so lange es auch genügend Soforts gibt…
Liebe Lydia,
du hast (leider) völlig recht. Aus einem „gleich“ wird so schnell noch eines und noch eines und mir ist es auch schon passiert, dass ich vergessen habe. Ich versuche mittlerweile auch, gleich zu reagieren, wenn meine Kleine etwas von mir möchte. Bei der Großen erwarte ich habe mit fast fünft, dass sie es manchmal schon versteht, dass es wirklich nicht gleich geht (Stichwort: Toilette). Es frustriert ja nicht nur das Kind, wenn man es immer vertröstet, es nervt ja auch selbst dass man es erstens tut und zweitens das Kind immer und immer wieder nachfragt…
Danke für deinen Kommentar, das bringt mich gerade nochmal zum Nachdenken!
Liebe Grüße,
Judith