Ich sitze am Nachmittag auf der Couch und plötzlich geht es los: fontänenartig poppen Tränen aus meinen Augenwinkeln. Ich heule. Ohne Ende. Wieso? Weiß nicht. Ich fühl mich zum Kotzen quasi. Klein wie ein Würmchen, unnütz wie ein Pups (yep, ich beherrsche Vierjährigen-Vokabular …), müde wie ein Siebenschläfer kurz vor dem Winterschlaf.
Während ich mir sniefend mit einem Taschentuch die Tränen aus den Augenwinkeln wische, damit die Kinder nichts merken sitze ich im Geiste neben mir. Ich gucke mich an und …schüttle den Kopf.
Eigentlich wollte ich mit Baby am Bauch ein wenig fürs nächste Projekt brainstormen. Die Kids sitzen über ihrem Hörspiel und würdigen mich keines Blickes – perfekte Gelegenheit also. Statt dessen drücke ich die Maus an mich und sniefe gleich wieder los. Noch mal von vorne. So eine Kacke. Was soll das? Ich will nicht heulen, ich will kreativ sein. Ich war gerade eben noch kreativ. Jetzt Ideen haben? Unmöglich. Statt dessen Selbstmitleid ohne Ende. Ich könnte im Kreis hüpfen und bin furchtbar wütend auf mich selbst, weil sich das nicht einfach abstellen lässt. Oder ins Bad gehen und mit der Faust gegen die Fliesen schlagen. Weil erstens täte es dann woanders weh und zweitens hab ich das Bedürfnis etwas kaputt zu machen und glaube, dass es dann besser wird. Bullshit. Mach ich natürlich nicht.
Die Mädels brüllen sich gegenseitig in ihrem Zimmer an. Es fliegt offenbar ein Stofftier und noch irgendetwas anderes. Alles gut, das Geschrei geht vorbei, keiner weint. Ich bin sowieso unfähig tatsächlich etwas zu tun und wäre vermutlich nur mit Notstromversorgung ins Zimmer gelaufen. In Ordnung, dann sitze ich hier eben noch eine Weile. Oder den ganzen Nachmittag.
Komisch, Anfang der Woche war alles in Butter. Nein, echt, ich hab auf Instagram nicht gelogen, ich war wirklich happy. Und jetzt starre ich, Baby umklammert, die Wand an und fühl mich leer, müde, traurig, selbstmitleidig, wütend.
Die Kids sind nicht ins Bett zu bekommen, aber ich fühl mich zu müde, um zu verhandeln oder sonstwas zu tun. Schreien mag ich nicht. Erstens weil nicht sinnvoll, zweitens weil zu antriebslos. Tja, also sind sie wach bis der Mann nach Hause kommt. Um 9:30. Als die dann endlich schlafen, sitze ich immer noch auf der Couch. Und heule schon wieder. Es kotzt mich total an, dass ich nichts weiterbringe, weil mir dauernd die Tränen kommen. Unfähig etwas dagegen zu tun sitze ich neben mir und glotze mich an. Der Mann fragt, was los ist. Ganz klassisch ich so: „Gar nichts.“ Neben mir auf der Couch schüttle ich den Kopf. Klassiker: „Gar nichts“. Auf „Wie geht es dir?“ antworten auch immer alle „Super!“, egal wie es ihnen geht. Nicht hilfreich. Gar nicht.
Als es besser ist, lege ich das Baby ins Bett und gehe ins Bad. Mit der Zahnbürste im Mund kommen die Fontänen wieder. Ich komme mir vor wie eine Idiotin, weil … ja warum eigentlich. Für heute reicht es. Ich kenne diesen Mist nicht, also nicht persönlich. Postpartale Depression? Ich weiß es nicht. Es stinkt mich an. Es versaut mir die Abende. Es macht mich handlungsunfähig, unkreativ und müde. Es ist nur akzeptabel, wenn es wieder geht und nicht bleibt. Vorsatz für morgen: auf die Frage „Was ist los?“ diesmal nicht mit „Gar nichts!“ antworten. Hilft vielleicht schon.
Dieser Beitrag ist für alle, die sich genau so fühlen. Ich habe lange gegrübelt, ob ich es teilen soll, es ist sehr persönlich. Aber es nicht zu teilen wäre keine Lösung sondern gewissermaßen ein Teufelskreis. Es kann jeden treffen, auch den positivsten und fröhlichsten Menschen in eurem Freundeskreis. Schreiben ist mein Ventil und da ich kein Tagebuch besitze … .
Fühlt euch gedrückt, redet darüber. Es gilt diesmal: schweigen ist wertlos, reden ist Gold. Ich habe mich besser gefühlt, als ich es meiner Freundin erzählt habe. Reden hilft. Alleine darüber zu grübeln allerdings wenig, denn alleine ist das Wasser in dem Fall zu tief und zu weit. Auch für gute Schwimmer. In schweren Fällen postpartaler Depression solltet ihr euch unbedingt professionelle Hilfe holen!
Alles Liebe,
eure
Liebe Judith!
Nach der Geburt meines 1. Kindes, es war ein absolutes wunschkind!, fiel ich in eine schwere Depression. Ich benötigte ärztliche Hilfe!
Jetzt oft denke ich noch daran zurück und es tut mir so unendlich leid für sie…
Habe nun erst mein 2. Kind bekommen. Merke von Depressionen Gott sei dank nichts, aber ab und zu muss ich einfach auch weinen. Aus Glück, aus Sorge, aus Angst, aus liebe… die Hormone fahren Achterbahn.
Vielen Dank für deinen ehrlichen Artikel!
LG Steffi
<3 Danke liebe Steffi!
Danke für diese Offenheit!
Niemand der noch nie in der Situation war versteht nicht wie man sich fühlt. So ausgelaugt. So hilflos. So müde. So voll mit Schuldgefühlen. So traurig…
<3
Danke für deine ehrlichen Worte! Es wird wirklich immer noch zu viel darüber geschwiegen, dabei passiert es so häufig! (übrigens auch Männern!).
Bei mir hat es sich noch in der SS abgezeichnet und ich bin seit 1 Jahr in Therapie – das Beste, was ich für mich und meine Familie tun konnte.
Liebe Raphaela,
ich hoffe, ich zeige noch vielen Mamas damit, dass es das wert ist, darüber zu reden – also das es hilft! Ich wünsche dir alles Gute! <3
Hej Judith- sei fest umarmt und Kopf hoch: alles wird sich wieder einrenken! Schön und mutig, dass Du so ehrlich darüber geschrieben hast!
Danke! <3 Ich fühle mich gar nicht so mutig - ich möchte all den frisch gebackenen Mamas, denen es auch so geht zeigen, dass es hilft, darüber zu sprechen. Beim zweiten habe ich es keinem erzählt und es war nicht so schön. Und es hat länger gedauert, dass es vorbei war. Alles Liebe! Judith
Danke dir für deine Offenheit Judith! Ich hatte das fast zwei Monate lang. Es war der Horror! Im Nachhinein gesehen find ichs so schade, dass ich die so kurze Babylige Zeit nicht genießen konnte. Es ging einfach nicht! ich fühlte mich diesen Gefühlen so ausgeliefert, zudem ist man ja auch permanrnt müde u der körper ist auch einfach noch so erledigt. Ich denk an dich und Kopf hoch diese Phase geht ganz schnell wieder vorbei. dann bist du wieder ganz die alte. und deine Kreativität ist dann auch wieder da. obwohl ich bezweifele ob sie weg war – denn dieser Artikel war doch wirklich top!
Danke meine Liebe! <3 Ja, mittlerweile geht es mir ja schon wieder gut. Gott sei Dank. Das Schreiben hat nämlich tatsächlich geholfen. Ich musste mal eine Weile runterfahren und kurz darauf habe ich gemerkt, es geht wieder bergauf. <3
Liebe Judith!
Ich finde es sehr mutig von dir, dein Gefühlschaos hier niederzuschreiben. Möglicherweise ist es der erste Schritt raus aus der Traurigkeit. Ich würds dir wünschen! Ich les hier schon seit längerer Zeit mit, bin selbst Mutter von zwei Kindern und kann mir vorstellen, dass diese (eigentlich grundlose) Traurigkeit total lähmend sein kann, wo man doch eigentlich glücklich sein „soll“.
Ich hoffe du hast Rückhalt und Zuspruch in deiner Familie und im Freundeskreis, so dass du diese schwierige Zeit bald überwunden hast.
Ich wünsch dir alles Gute und dass du dein Leben bald wieder genießen kannst.
Liebe Grüße
Bettina
Liebe Bettina,
ich habe jetzt auch eine Weile gebraucht, um eure lieben Kommentare zu bearbeiten. Ja, das war es. Ich habe außerdem gehofft, dass es viele anspricht, denen es vielleicht wirklich schlechter geht. Bei mir war es auch diesmal Gott sei Dank wieder (wie nach dem zweiten Kind) nur eine kurze Phase. Ich bin froh darüber und hoffe, andere so zu ermutigen, anderen zu erzählen, wie es ihnen geht. Man schweigt zu gerne darüber. Beim zweiten habe ich es auch niemandem erzählt – schade, es wäre sicher schneller wieder vorbei gewesen damals, hätte ich es getan. <3 Judith
Liebe Judith, ja, die Heultage – danke, dass du so offen und persönlich darüber schreibst. Ich bin selbst dreifache Mutter und habe ein bio-Aromaspray entwickelt, welches „Mama Helferspray Babyblues“ heisst. Es enthält antidepressive Bergamotte und hormonausgleichende Rosengeranie. Und zwar in babysicherer Konzentration, denn man ist ja schließlich nicht alleine 😉 Dufte Grüße, Bettina
Das ist ja eine tolle Idee! Ich gebe zu, ich nutze für die Kinder ätherische Öle, für mich bin ich auf die Idee seltsamerweise außer bei Kosmetik wirklich noch nicht gekommen. (Warum eigentlich?) … <3