Heutzutage sollte es aus gesellschaftlicher Sicht völlig irrelevant sein, ob man ein Mädchen oder einen Jungen bekommt und trotzdem haben die allermeisten Eltern vor der Geburt ihrer Kinder ein bevorzugtes Geschlecht und – huch – die meisten Mütter wünschen sich Mädchen. Geht mal in euch, gebt es zu: habt ihr euch in Mädchen oder einen Jungen gewünscht?

Ich hab mir immer Mädchen gewünscht. Ich habe die Daumen gedrückt, was nur ging und ich gebe zu, ich habe es mir natürlich auch im Monatszyklus ausgerechnet, wann ein guter Moment dafür wäre. Auch, wenn die meiste Methoden zur Beeinflussung des Geschlechts umstritten sind, man will  ja nichts unversucht lassen. Ein kleine wenig wollte ich mich nicht vom Geschlecht überraschen lassen, weil ich Angst hatte, enttäuscht zu sein, wenn das Baby dann im Kreißsaal herausrutscht und die Hebamme ruft:“Gratuliere, sie haben einen Jungen!“. Ok, übertrieben, ihr dürft mich auslachen. Ich wäre sicher nicht enttäuscht gewesen. In erster Linie wünscht man sich ja EIN KIND. Aber ihr wisst schon, wie das mit Wünschen ist. Am allermeisten freut man sich über ihre Erfüllung…

Mädchen haben

Eigentlich … steh ich nicht auf Mädchenkram

Und tatsächlich – juchhu! – es hat geklappt. Ich hab mir aber keine Mädchen gewünscht, weil ich sie hübsch anziehen kann oder weil ich gerne Zöpfe flechte. Das trifft sogar zu, aber ich habe ja selbst lange Haare. Ich stehe nicht besonders auf Rosa. Ich habe sogar mittlerweile eine leicht Aversion gegen die rosa-Vorliebe der Tochter. Ihre pinken, blinkenden Schuhe kann ich mir nur anschauen, weil ich merke, wie glücklich sie damit ist. Pink finde ich schon irgendwie „geil“, aber auch nur in Maßen. Ich stehe auch weder besonders auf Puppen noch auf Mädchen-Rollenspiele. Da halte ich mich tendenziell sogar eher raus. Und jetzt kommt mir nicht damit, dass man mit Mädchen so schön Kleider-Shoppen gehen kann. Das mache ich ja nicht mal selbst gerne.

Kleine Prinzessinnen und so …

Aber: süß sind sie schon. Wenn sie ihr Rüschenkleidchen anzieht und sich dreht wie Cinderella am Ball. Dabei lacht sie und wirft mit den kleinen Händen um sich. Jetzt ist sie eine Prinzessin. In ihrer Welt. Sie hüpft herum, singt, spricht mit ihren Puppen alle Sprachen (derzeit Englisch bevorzugt, das versteh nur keiner außer ihr) und hat mir letztens meine Wimperntusche geklaut.

In Wahrheit habe ich hier gerade die volle Dröhnung Mädchen zu Hause inklusive Elsa und Anna, Arielle (die mag ich auch) und Barbies, die wiederum Elsa und Anna sowie Arielle, Elfen und Prinzessinnen spielen. Eigentlich so gar nicht mein Ding. Und ich liebe es trotzdem, eine Mädchenmama zu sein.

Jungs, Waffen und ich

Dann sitze ich da und stelle mir vor, sie würde jetzt wie die meisten anderen Jungs in ihrem Alter mit der Plastikpistole rumlaufen, Krieg spielen oder einfach nur fies Schubsen. Letzteres tut sie sogar, dafür muß man ja wirklich kein Junge sein. Die große Tochter ist sogar ein sehr lautes und nicht gerade zart besaitetes Exemplar, dass so manchen Buben in Sachen Rowdytum in den Schatten stellen kann, wenn sie Lust darauf hat. Die Ellenbogentechnik hat sie schon mit zwei Jahren perfektioniert gehabt, auch wenn sie in manch anderen Situationen durchaus schüchtern sein kann. Ich muß gestehen, ich kann mit Rüschenkleidchen am Ende doch mehr anfangen als mit Waffen. Wenn man in Österreich die Wehrpflicht für Frauen einführen würden, würde ich mich für Zivildienst oder Entwicklungshilfe entscheiden. Ich kann so gar nicht mit Waffen, vor allem nicht, wenn man damit um sich ballern kann.

Ich, die Amazone

Viel eher wäre ich (gedanklich) die Amazone mit Pfeil und Bogen aus dem Buch, das ich  mit 13 gelesen habe oder die „Heldenmutter“ – das hat mich beeindruckt. Da gab es Heldinnen, die gekämpft haben wie Männer, aber nicht mit roher Gewalt sondern mit Berechnung und Taktik. Ich sich als Teenager schon das Gefühl, dass Frauen in der realen Geschichte viel zu wenig Beachtung als Heldinnen gefunden haben, als solche Themen in Geschichte am Lehrplan standen. In Deutsch habe ich mir oft Bücher für Referate und Rezensionen ausgesucht, in denen es um starke Frauen ging. Ich schätze, im Nachhinein betrachtet habe ich bereits als Teenager viele versteckt (oder offensichtlich) feministische Bücher gelesen, ich wusste nur noch nicht, was das Wort bedeutet.

Warum ich mir wirklich Mädchen gewünscht habe

Ich hoffe, dass aus meinen Mädchen einmal starke Frauen werden. Frauen, die selbstbewusst zu sich, ihrer Meinung und ihren Gefühlen stehen. Frauen, die ihr Potenzial ausnutzen und das tun, was sie glücklich macht. Frauen, die sich nicht bevormunden und auf den Zehen herumtrampeln lassen und sich für ihre Sache einsetzten wollen. Ich hoffe, ich kann sie auf diesem Weg begleiten. Ich meine, die Welt braucht mehr starke Frauen mit einer Stimme, die gehört wird. Und genau deshalb habe ich mir Mädchen gewünscht. Sorry, wirklich, es waren nicht die rosa Rüschenröckchen, die könnten letztlich auch Jungs anziehen, so es ihnen gefällt.

Das hört sich jetzt sehr romantisch an, aber schaut euch um. Immer noch sind Frauen oft zu leise. Geschlechterstereotype kommen leider nicht von irgendwoher, auch wenn ich sie nicht mag. Ich kämpfe vor allem im Beruf täglich mit meinen eigenen allzu weiblichen Eigenschaften, die ich mir über Jahre selbst anerzogen oder sonst woher habe. Sie wohnen in mir, ich kann manchmal nicht anders. Ich bin oft zu leise, zu wenig direkt, zu wenig selbstsicher und ganz oft zu wenig von dem überzeugt, was ich kann. Sollte ich nicht sein. Muß ich nicht sein und will ich meinen Töchtern definitiv anders zeigen.

So, jetzt interessiert mich, was ihr denkt: hattet ihr ein Wunschgeschlecht und hatte das einen bestimmten Grund?

PS: Wer wissen möchte warum es toll ist Jungs zu haben, der sollte bei Einer schreit immer vorbei schauen. Achtung Zynismus! 😉