Ich möchte euch eine persönliche Geschichte erzählen, die – glaube ich – deutlich klar macht, weshalb es keine Option ist, seine Kinder schreien zu lassen, weil man hofft, sie kapieren so, dass sie alleine Schlafen oder Einschlafen lernen. Weshalb Schlaflernprogramme, die so etwas empfehlen Müll sind, weshalb nicht zu reagieren bei Weinen oder Schreien keine Option ist und wie es Kindern dabei geht, wenn wir nicht regieren.
Das Einschlafen klappt bei uns momentan wirklich gut. Ausreißer gibt es natürlich. 23 Uhr Nachtwache, weil nicht müde oder Hunger kommt auch vor, aber seltener. Die Mädels trinken Abends noch ein zwei Schluck aus ihren Trinkflaschen, stellen sie ans Bett und schlafen dann ein.
Nicht so an diesem Abend. Das ganz kleine Fräulein ruft mich aus dem dunklen Zimmer, sie hat noch Durst und möchte eine „Nachfüllung“. Mache ich, ich gebe ihr Wasser, einen Kuss und gehe wieder auf die Couch. Fünf Minuten später will sie noch mehr Wasser. Wenn sie zu viel trinkt, läuft ihre Windel über Nacht aus. Deshalb haben wir den „Einmal-Nachfüll-Deal“, den sie selbst mit ausgehandelt hat. Stille im Zimmer. Sie ruft noch einmal. Ich versuche eine Verhandlung zu starten, ohne ins Zimmer zu gehen. Momentan bin ich mit dem dicken Babybauch ein wenig rückenlahm und brauche unter Schmerzen oft eine gefühlte Stunde, um aufzustehen und zu ihr zu gehen. Noch ein Grund, warum ich für die „Verhandlungen“ lieber nicht aufstehe und es zuerst mit Zurufen versuche. Klappt nicht.
„Mama, du bist nicht gekommen! ….“
Ich quäle mich also hoch, brauche aber gute zwei Minuten, weil mein Rücken spinnt. Sie ruft wieder. Ich stöhne kurz „komme gleich!“, bin aber einfach langsam. Plötzlich lautes Weinen aus dem Zimmer, offensichtliche Verzweiflung, dass einem das Herz bricht. Hilft alles nichts, ich bin nicht schneller. „Was ist denn los, Mäuschen?“ Ich stürme ins Zimmer. „Was ist passiert?“ Stille. „Mamaaaaaaa! Ich hab dich gerufen und du bist nicht gekommen!!!!!!“ Furchtbares Weinen. Das macht mich so traurig, ich könnte mit ihr heulen. Es tut mir so leid. In dem Augenblick fühle ich, wie es allen Kindern geht, deren Eltern nicht auf ihr Weinen reagieren. Für sie war meine schlichte Langsamkeit offenbar ein Zeichen, dass ich gar nicht kommen möchte. Dass ich sie ignoriere oder mir nichts daran liegt! Überlegt mal, wie ihr euch fühlen würdet?
Meine Tochter kann mir mit drei Jahren bereits sagen, was sie fühlt und wie es ihr geht. Sie sagt es auch, wenn sie Angst hat im Dunkeln und ich irgendwo Licht brennen lassen soll oder wenn sie nicht schlafen kann, weil sie Hunger hat. Ein Baby dagegen kann in dem Fall nur eines tun: Weinen! Weinen, weil es Hunger hat. Weinen, weil Mama nicht da ist und es Nähe braucht. Weinen, weil es Dunkel ist oder Weinen, weil es trotz der nächtlichen Stunde gerade einfach JETZT NICHT MÜDE IST!
Durchschlafen? Ab wann?
Übrigens gibt es auch (viele) Erwachsene, die nicht durchschlafen können oder Probleme mit dem Einschlafen haben. Deshalb ist es noch interessanter, das wir von unseren Kindern verlangen, dass es einfach so klappt und es ihnen oft sogar aufzwingen wollen. Kinder und Babys verarbeiten nachts noch mehr Eindrücke als wir Erwachsene, denn für sie sind so gut wie alles neu und aufregend. So aufregend, dass das Einschlafen und Durchschlafen manchmal einer Tour auf den Mount Everest gleicht … Schafft ihr das? Kommt ihr da so einfach rauf?
Was könnt ihr statt dessen tun? Die Alternativen
Beim Baby
Verlasst euch auf eure Intuition! Hat es Hunger? Möchte es Kuscheln oder ist es einfach nicht müde? Bei Babys liegt ihr mit eurem Instinkt meistens richtig. Und nein, ich kann nicht „Babysprache“, und auch ich habe mir oft gedacht „Was will sie denn nun jetzt eigentlich???? Ich versteh sie nicht! (Sollte ich sie nicht verstehen?)“ Manche Kinder schlafen sehr bald allein ein und durch, andere erst recht spät. Die meisten Kinder beginnen irgendwann dazwischen damit. Ignoriert, was andere euch erzählen und verlasst euch auf euer Bauchgefühl! All diese Kinder, die von Beginn an durchschlafen … ja gibt’s denn so was überhaupt? Ja, aber selten! Ich kann es eigentlich kaum fassen, dass sowohl meine Mama als auch meine Schwiegermutter meinen, all ihre Kinder hätten vom ersten Tag an durchgeschlafen (????). Irgendwann kommt der Moment, da können sie es. Ganz plötzlich. Und ihr werdet nicht mehr wissen, wie es vorher war.
Bei Kleinkindern & Kindern
Hier fällt es uns noch schwerer, uns auf unsere Intuition zu verlassen, weil wir nämlich irgendwann in der Entwicklung der Kinder oft damit beginnen, ihnen irgendwelche (bösen) Absichten zu unterstellen. Böse Absichten, die sie in Wahrheit gar nicht haben (weil sie dazu noch nicht fähig sind), die uns aber gedanklich auf die Palme treiben.
- Denk daran: eure Kinder machen das wirklich nicht mit Absicht. Sie wissen im Kleinkindalter noch gar nicht, wie „mit Absicht“ geht. Meistens wollen sie nur Aufmerksamkeit, bzw. wollen euch etwas mitteilen. Lasst euch deshalb nicht beirren und (ja, ich weiß, das ist sehr schwer) und reagiert nicht sauer, wenn sie „noch Wasser wollen, kurz Pipi gehen, schnell ein Stofftier holen müssen und so weiter …“ oder wenn sie jeden Abend um 11 noch einmal auf der Matte stehen. Vielleicht stimmt etwas nicht? … (siehe Punkt 3)
- Deshalb: Hört zu, was eure Kinder euch sagen wollen! Ich habe letztens doch tatsächlich bis 22:30 Uhr gebraucht, um aus meiner dreijährigen Tochter herauszubekommen, dass sie nicht schlafen kann, weil sie Hunger hat. Shame on me! Sie hat dann wirklich rasch ein Ei verdrückt und gesagt:“So Mama, ich bin müde. Ich geh jetzt ins Bett! Gute Nacht!“ Hätte ich ihr mal besser genauer zugehört, dann wär das alles schneller gegangen.
- Gibt es eine Situation, die immer rund immer wieder kehrt? Kommt euer Kind immer wieder aus dem Zimmer, vielleicht um eine bestimmte Uhrzeit? Hier gilt wieder: hört zu! Eventuell gibt es eine ganz einfache Lösung. Bei Durst eine Flasche am Bett, bei Angst im Dunkeln eine Nachtlampe, bei Albträumen vielleicht über kurze Zeit Einschlafbegleitung. Aber bitte macht eines nicht: sagen, dass ihr etwas tut und es dann nicht tun. Wenn ihr wisst, die Nachtlampe geht nach einer gewissen Zeit aus, dann sagt das eurem Kind vorher. Viel schlimmer wäre das Erwachen, wenn es mitten in der Nacht aufwacht und plötzlich ist alles unerwartet dunkel.
- Noch mal: Ruhe bewahren! Ich sag das so einfach, kann es aber sehr oft selbst nicht. Bevor ihr wieder so richtig sauer werdet, weil ihr am Abend endlich mal eure Ruhe haben wollt, denkt an das letzte Mal, als euch genau das gleiche passiert ist. Dauert dann alles nicht noch viel länger? Dass ihr plötzlich patzig seid, werden eure Kinder nicht verstehen, umgekehrt spüren sie aber eure Stimmung und werden auch grantig. Sie verstehen nicht, das ihr keine Lust habt und nicht diskutieren wollt. Sie verstehen nur, dass sie selbst irgendein Problem haben und sehen, ihr setzt euch nicht wie gewohnt für dessen Lösung ein.
Was tut ihr, wenn es so gar nicht klappen will mit dem Einschlafen?
Ich finde es schön, wie einfühlsam Du bist., und die Lösungsmöglichkeiten beschreibst.
Wir bleiben immer bei den Kindern bis sie eingeschlafen sind. Gerade die Große (fast 5) hat Angst, abends oder nachts allein zu sein. Jedenfalls seit der Geschichte mit dem Santa Claus, der durch den Kamin kommt. Dann können böse Leute das sicher auch… andere Wünsche haben sie dann eigentlich nicht mehr.
Manchmal denke ich, wir sollten es ihnen langsam abgewöhnen, doch dann merke ich, dass es mir nicht wichtig genug ist. Allerdings machen wir kein selbstbestimmtes Einschlafen, so dass um 19, spätestens 19:30 eh Zeit für mich ist (die ich ganz unbedingt brauche).
Liebe Daija,
Wir machen hier auch kein selbstbestimmtes Einschlafen. Ich habe es versucht, muß aber gestehen, ich hab es nicht durchgehalten. Meistens gehen beide so um 20 Uhr ins Bett. Überwiegend ohne Murren, weil die sowieso müde sind.
Mich erschreckt gerade die Geschichte mit Santa…. darauf, dass das Kinder verschrecken könnte, kommt man als Erwachsener gar nicht…
Liebe Grüße, Judith
Hallo!
Soeben las ich den Artikel und finde die aufgelisteten Punkte ganz hilfreich und nachvollziehbar.
Jedoch musste ich bei deiner Einstiegsgeschichte kurz innehalten. Deine Kleine hat dich doch gehört, dass du da bist und gleich kommst? Es ist gut möglich, dass sie panisch wurde, aber was ist die Alternative? Dass du vor der Zimmertüre campierst?
Ich finde, du musst kein schlechtes Gewissen haben. Wie du schreibst, ist die Kleine schon verständig. Da kann man ihr auch erklären, dass du nicht so schnell zu Fuß bist und bevor du dir ernsthaft weh tust lieber langsamer läufst.
Selbst bei einem Baby, bei dem ich alle angesprochenen Punkte ausnahmslos zustimme, bin ich nicht nonstop daneben wenn es losschreit. Da sind immer mal ein paar Schritte von Küche bis Wohnzimmer etc dazwischen. So ist das Leben, aber mit viel Liebe und Empathie verkraften die Kleinen und Größeren auch solch kurze Trennungen. Und das scheint bei euch ja gegeben zu sein!
Liebe Ann-Kathrin,
ich glaube, das ist vielleicht im Beitrag ein wenig falsch oder verzerrt rübergekommen. Es hat mir einfach nur so leid getan, dass sie geweint hat, weil sie geglaubt hat ich komme nicht. Das kommt nicht jeden Tag vor und ist auch nicht jeden Abend so der Fall – es war einfach eine blöde Ausnahme. Eine, die mich daran denken hat lassen, dass man mir empfohlen hat, die Kidner auch mal schreiebn zu lassen (gut für die Lungen, sie hören schon von selbst auf, das brauchen sie, man muß nicht immer für sie parat stehen, … usw…) Ich habe kein schlechtes Gewissen, es war ja in dem Fall nicht mit Absicht. Worauf ich hinaus möchte und weshalb ich das als Beispiel erzählt habe ist, dass es einfach prinzipiell keine gute Idee ist, kleine Kinder und vor allem Babys schreien zu lassen und wie sie sich dabei potentiell fühlen. Für uns ist das ja nur schwer vorstellbar. Meine Tochter konnte es schon in Worten ausdrücken, jüngere Kinder können das nicht. Ich bleibe bestimmt nicht vor dem Zimmer sitzen und hüpfe bei der kleinsten Bewegung und es scheint mir schon so, als hätte sie sonst das Vertrauen, das sich da bin und auch komme.
Alles klar! 😉 Als Mama macht man sich ja immer über alles mögliche Sorgen, ist ja bei mir nicht anders. In diesem Fall wollte ich dir nur das vermeintlich schlechte Gewissen „ausreden“.
Ansonsten bin ich ja ganz deiner Meinung und finde es schon sehr bedenklich, dass sich das schreien-lassen zur Lungenstärkung etc. bei kleinen Babys so beharrlich hält. Habe das auch schon mehrfach aus der eigenen Verwandtschaft zu hören bekommen…
Schöner Blog übrigens!
Lg
Hallo,
bei deinem beispiel hatte ich echt einen kloß im hals. Wenn unser sohn weint, immer wieder, ist es für mich schon anstrengend. Aber stell dir mal vor, deine beste freundin, deine mutter oder dein mann würde so weinen? Niemand würde einfach auf der couch sitzen bleiben! So sage ich mir, in unserem haus weint sich niemand in den schlaf und keiner wird hier ungetröstet gelassen! Mittlerweile jammert er kurz, wenn er zb den schnuller verloren hat, wir finden ihn meist über das babyphone gemeinsam, er hört meine stimme und schläft oft innerhalb von minuten ein. Er scheint damit zufrieden zu sein. Bauchgefühl ist wirklich ein guter helfer.
Oh ja – als unsere jüngere noch kleiner war, haben wir es auch über das Babyfon versucht und festgestellt, dass schon alleine die Stimme als Zeichen der Anwesenheit manchmal reicht. Und du hast recht: ich würde auch niemanden sonst so weinen lassen. Natürlich habe ich genau diesen Fall erzählt, um zu zeigen, dass ich das nicht möchte und natürlich ist mittlerweile nicht immer jedes Weinen Verzweiflung, Angst oder ähnliches. Wenn sie älter sind, wird einem immer bewusster, wann das ganze einem bestimmten Zweck dient (inklusive geschwisterliches Getuschel davor, wie man vorzugehen hat, damit Mama tut, was man möchte) und wann es tatsächlich einen akuten Grund hat – das hört man auch am Tonfall …
Alles Liebe!
Hallo Mamas!
Für mich und meinem Sohn (9 Jahre) ist es auch heute noch das schönste abends im Bett eine Runde zu kuscheln und den Tag nochmal besprechen (was war heute besonders gut… ) und wenn Sohnemann nicht alleine einschlafen kann oder möchte bekommt er auch seine Eindchlafbegleitung ( schönes Wort ) In wenigen Jahren sind die Kinder aus dem Haus. Was es aber nie vergessen wird ist die Liebe die es bekommen hat …
Das hast du so schön geschrieben! <3 Danke!
moin Karin und alle anderen
ganz genau! ich habe immer gedacht, auf die gesamte Lebenszeit gesehen, ist es auch völlig pk, wenn er noch mit 5 oder 6 in meinem Bett schläft, erst dann zog er langsam aus.
und an diese gruseligen Ratschläge zum “ Nichtverwöhnen“ des Kindes kann ich mich noch erinnern als wäre es gestern, obwohl mein Kind schon 12 ist.
hört auf eier Herz, dann muss kein Kind einfach schreien, lasst euch nicht kirre machen vonn den meist von Männern geschriebenen Ratgebern!
Der letzte Satz: leider so wahr … unsere älteste Tochter hat ja in ihrem Zimmer sowieso immer besser geschlafen als bei uns. Die jüngste dagegen schläft bei uns am besten. Kinder sind so verschieden wie Erwachsene. Man kann es sowieso nicht über einen Kamm scheren. <3
Bin grad auf den Artikel gestoßen Und sehr berührt davon. Sehe das genau so. Ja, oft ist es frustrierend, weil der Tag nie zu ende scheint oder zb auch schon der Mittagsschlaf so gar nicht gut beginnt. Aber ich will auch nicht, dass sie schreien bis sie resignieren, weil Mama sie ignoriert. Und wenn ich zwanzig mal die Nacht aufstehe. Ich hoffe sehr, dass der Artikel von vielen Jungmüttern gelesen wird, damit sie Mut bekommen, sich entgegen der ach so klugen Ratschläge anderer, zu ihrem Kind zu stellen und auf das Schreien zu reagieren.
Liebe Hanna,
ja, das hoffe ich auch. Denn oft sagt die nähere Umgebung ja etwas ganz anderes. Ich habe oft gehört, wie gesund das nicht für die Lungen sein soll …
Alles Liebe,
Judith